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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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er erneut an seinen Knöcheln nagt.
    »Ich war gierig, Bruno, das gebe ich zu. Es war jedoch nicht für mich – ich habe alles Geld meinen Eltern geschickt. Sie sind arm, wisst Ihr?«, verteidigt er sich mit erhobener Stimme.
    »Was für Geld? Wovon redet Ihr eigentlich?«
    Doch bevor er antworten kann, knarrt draußen vor der Kammer eine Bodendiele. Ich hebe eine Hand, und Dumas erstarrt.
    Es klopft leise an der Tür – noch ein Besucher im Morgengrauen. Ich bin in Salisbury Court noch nie so gefragt gewesen. In der Hoffnung, dass der Neuankömmling glaubt, ich schliefe noch, gebe ich Dumas ein Zeichen, sich still zu verhalten, aber das wird offenbar als Einladung aufgefasst; die Tür öffnet sich einen Spaltbreit, und Marie de Castelnau schlüpft in den Raum. Ihr Haar fällt ihr offen über die Schultern, und sie trägt ein dünnes Gewand, unter dem sich ihre Brüste und die Kurve ihrer Hüften abzeichnet. Ihre Füße sind bloß. Sie blickt mich mit großen Augen an und legt einen Finger auf ihre Lippen, als wären wir Komplizen in einem verbotenen Spiel – sie hat Dumas noch nicht bemerkt. Ich setze ein gezwungenes Lächeln auf und lenke ihren Blick mit einem Nicken zu der Stelle, wo er steht und so fassungslos wirkt, als hätte er gerade die Wiederauferstehung mit angesehen. Beide brauchen eine Weile, um sich von ihrem Schrecken zu erholen. Mich überkommt ein nahezu unwiderstehlicher Lachreiz, doch er erstirbt beim Anblick von Maries Gesicht – sie scheint vor Wut zu schäumen, und der hasserfüllte Blick, den sie auf Dumas richtet, droht sich durch ihn hindurchzufressen und die Bodendielen in Brand zu setzen. Dumas seinerseits trägt die Miene eines Mannes zur Schau, dem man eine glühende Eisenzange an seine empfindlichsten Körperteile hält. Selbst wenn mein Kopf in einer besseren Verfassung wäre, bin ich mir nicht sicher, ob mir die richtigen Worte einfallen würden, um die Situation zu entschärfen.
    Zum Glück ist es Marie, die als Erste die Fassung zurückgewinnt.
    »Ihr«, zischt sie, verschränkt die Arme vor der Brust und bringt alle Reste ihrer üblichen selbstsicheren Haltung auf. »Solltet Ihr nicht auf dem Weg zu meinem Mann sein, um ihm zur Hand zu gehen? Ich bin sicher, dass es viel zu tun gibt.«
    Dumas starrt sie nur weiter mit offenem Mund an, als wäre sie Luzifer persönlich.
    »Nun geht schon.« Sie nickt ungeduldig in Richtung der Tür. »Ich schreibe einen Brief an einen Freund in Italien«, fügt sie obenhin hinzu, als es Dumas endlich gelingt, seine Füße vom Boden zu lösen. »Ich brauche Brunos Hilfe bei der Übersetzung. Und er muss schnell fertig werden, weil der Bote schon heute Morgen aufbricht. Versteht Ihr?« Ihr barscher Ton zielt darauf ab, etwaige Missverständnisse von vornherein aus dem Weg zu räumen. Dumas stolpert benommen zur Tür, wirft mir noch einen letzten panikerfüllten Blick zu und verlässt den Raum dann so zögernd, als sei er nicht sicher, ob er mich gefahrlos mit Marie allein lassen kann. Ich nicke ihm auffordernd zu und versuche ihm mit meiner Miene zu verstehen zu geben, dass wir das Gespräch besser später fortsetzen.
    Marie sieht mit einem leichten Kopfschütteln zu, wie die Tür ins Schloss fällt, und stemmt die Hände in die Hüften.
    »Was hatte er denn um diese Zeit hier zu suchen?«
    »Dumas? Er leidet gelegentlich unter Heimweh«, erwidere ich, dabei verwünsche ich ihr unverhofftes Auftauchen aus tiefster Seele. Dumas hatte kurz vor einem wahrscheinlich wichtigen Geständnis gestanden, und sie hat alles verdorben. Jetzt wird es mir unmöglich sein, mich auf irgendetwas zu konzentrieren, bis ich den Rest aus ihm herausgeholt haben werde. »Manchmal braucht er dann jemanden, mit dem er reden kann.« Ich zwinge mich, den Blick von der Tür loszureißen und auf ihr Gesicht zu richten. Ihre scharfen Augen begegnen den meinen und wandern dann zu meiner Kopfwunde.
    »Zu dieser Stunde?«
    »Nun – Ihr seid ja auch zu dieser Stunde hier.«
    Ihre Züge werden weicher.
    »Vielleicht habe ich auch Heimweh. Und fühle mich einsam. Tut Ihr das nicht, Bruno?« Sie scheint auf mich zuzuschweben; ihre Füße verursachen keinerlei Geräusch auf dem Boden. »Auf jeden Fall denke ich, meine Gründe sind nicht dieselben wie die dieses Sekretärs. Wie heißt er doch gleich?«
    »Léon Dumas.« Eigentlich überrascht es mich nicht, dass sie die Namen der Angestellten ihres Mannes nicht kennt, es bestätigt eine ihrer hervorstechendsten Eigenschaften –

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