Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
Vom Netzwerk:
mangelndes Interesse an jedem, der ihr nicht irgendwie nützlich sein kann. »Aber Ihr habt einen Mann«, füge ich gepresst hinzu. Sie steht jetzt dicht vor mir und hebt mit besorgt verzogenem Gesicht eine Hand zu meiner Schläfe. Noch ehe sie mich berührt, zucke ich unwillkürlich zusammen, und sie lacht leise.
    »Keine Angst, Bruno, ich habe nicht die Absicht, Euch anzufallen. Ja, ich habe einen Mann, und ich kann sehen, dass Ihr nie verheiratet wart, wenn Ihr das für ein Heilmittel gegen Einsamkeit haltet.«
    Ich beiße die Zähne zusammen, als sie mit einem Finger leicht oberhalb der Wunde durch mein Haar fährt.
    »Courcelles sagte, Ihr wärt angegriffen worden – ich habe mir Sorgen um Euch gemacht«, flüstert sie. Ich frage mich nebenher, wann denn Courcelles zwischen meiner späten Rückkehr und diesem frühmorgendlichen Überfall Zeit gefunden hatte, mit ihr zu sprechen, aber meine Gedanken werden von ihrer auf meinem Brustbein ruhenden Hand abgelenkt, während ihr rechter Zeigefinger über mein Gesicht streicht. Wieder konzentriere ich mich darauf, keinen Muskel zu rühren, obwohl meine Nerven kribbeln und meine Kehle sich zuschnürt. Ihr Gewand ist etwas verrutscht, sodass ihre nackte Schulter sichtbar wird. »Bruno …«, beginnt sie, ohne mir in die Augen zu sehen, »… was gestern passiert ist …«
    »Bitte – vergesst, was geschehen ist«, höre ich mich mit erstickter Stimme murmeln. »Es gibt keinen Grund, noch ein Wort darüber zu verlieren.«
    »Doch das ist ja gerade das Problem, Bruno«, haucht sie. Ihr Atem weht warm über mein Kinn. »Ich kann es nicht vergessen. Ich kann an nichts anderes denken. Ich weiß nicht, was Ihr mit mir gemacht habt.« Sie schlängelt sich noch näher an mich heran und schmiegt sich eng an meine Hüfte. Jetzt ist es genug, befinde ich. Mein Kopf wird schlagartig so klar, als hätte ich ihn mit kaltem Wasser übergossen. Ich trete zurück und fasse sie sanft bei den Schultern.
    »Bitte, Marie. Ich habe nichts vorsätzlich getan, und Ihr solltet nicht hier sein.«
    »Dass Ihr es nicht vorsätzlich getan habt, macht es umso reizvoller«, wispert sie, und ich kann die Hitze ihres Körpers spüren, als sie sich aufs Neue gegen mich presst. Wiederum gerate ich in Verwirrung. Ihr Verlangen wirkt echt, doch ich werde den Verdacht nicht los, dass dies nur eine Vorstellung ist, eine Falle, die sie zuschnappen lassen will. Selbst wenn es sich nicht um eine beabsichtigte Falle handelte, würde sie bald zu einer werden. Ich muss Marie aus meiner Kammer herauslotsen, ehe ich Grund habe, mir Vorwürfe zu machen.
    »Marie«, sage ich sanft, woraufhin sie den Kopf hebt, mir in die Augen sieht und leicht die Lippen öffnet. Dio mio . Ich muss all meine Selbstbeherrschung aufbieten, um mich nicht einfach vorzubeugen und diesen lockenden Mund zu küssen. »Das darf nicht sein, und Ihr wisst es. Es würde nicht nur Eurem Mann, sondern auch Euch und mir Leid zufügen. Bitte versucht, nicht auf diese Weise an mich zu denken, so wie ich versuche, nicht an Euch zu denken.«
    Sie schüttelt den Kopf, tritt aber wenigstens einen Schritt zurück.
    »Leide ich nicht schon genug, Bruno? Euch jeden Tag zu sehen, mit Euch im selben Haus zu leben und am selben Tisch zu essen und dabei zu wissen, dass Ihr mich nicht wollt – wenn es ein größeres Leid geben sollte, wüsste ich nicht, welches.«
    Weil du nie erfahren hast, wie es ist, etwas zu wollen und es sich nicht augenblicklich verschaffen zu können, denke ich, als ich sie ansehe. Für sie liegt der Reiz allein in meinem beharrlichen Widerstand, in diesem Punkt gebe ich mich keinerlei Illusionen hin.
    »Auf jeden Fall«, fährt sie mit gesenkten Lidern fort, »weiß ich nicht, wie ich so weiterleben soll. Allmählich denke ich, dass unter diesem Dach kein Platz für uns beide ist, wenn Ihr mich nicht lieben könnt. Einer von uns muss nach Paris zurückkehren.«
    Ich fahre mir mit einer Hand durch das Haar, hole tief Luft und suche nach einer diplomatischen Antwort. Jetzt spricht sie von Liebe – wenn sie das wirklich ernst meint, ist es bloßes Wunschdenken ihrerseits. Sie hat sich eingeredet, mich zu lieben, weil ich sie abgewiesen habe. Aber vielleicht ist das, was wir gemeinhin als Liebe bezeichnen, ohnehin nur Selbsttäuschung. Und wenn Marie eine Rolle spielte … ist all das dann Teil eines Plans, mich aus dem Weg zu schaffen? Wenn sie beschließt, dass einer von uns nach Paris zurückkehren muss, kann sie damit nur mich meinen.

Weitere Kostenlose Bücher