Frevel: Roman (German Edition)
aus.
»Heute haben sie einen dieser Flugschriftenverfasser verhaftet, habt ihr das schon gehört?«, wirft jemand ein, nachdem eine Bemerkung Fowlers über das Wetter in der Luft hängen bleibt.
»Was für Flugschriften?«, erkundigt sich Courcelles.
»Ihr müsst die Dinger doch schon gesehen haben, Claude.« Fowler faltet die Hände. »Werden einem für einen Penny auf jedem Marktplatz oder in jeder Schänke in die Hand gedrückt. Sie enthalten apokalyptische Prophezeiungen, sagen das Ende von Elisabeths Herrschaft oder sogar ihren Tod voraus und behaupten, diese Morde am Hof seien Zeichen für Teufelswerk. Sie zu verfassen oder zu drucken gilt heutzutage als Verrat.« Er saugt zischend den Atem ein und schüttelt den Kopf. »Ich möchte nicht in der Haut dieses Burschen stecken.«
»Ich besuche keine Märkte oder Schänken«, erwidert Courcelles, dabei wirft er sein Haar zurück. »Daher geht der Klatsch von Lehrlingen und Schankmädchen an mir vorbei.«
»Die einfachen Leute in diesem Land sind von Vorhersagen ihres bevorstehenden Untergangs fasziniert«, verkündet Mendoza. »Ich habe so etwas noch nie erlebt. Sogar die Diener in meiner eigenen Botschaft lassen sich von diesen Prophezeiungen die Köpfe verdrehen, wenn sie in englische Schänken gehen. Hat mit mangelnder Frömmigkeit zu tun, denke ich. Uns kann es dagegen nur nützen, wenn die Leute glauben, die Apokalypse stünde kurz bevor.«
Howard wirft ihm einen warnenden Blick zu und späht dann kurz zu Anne hinüber, die mit dem Hund beschäftigt zu sein scheint.
»Der Bursche, den sie festgenommen haben, war nur der Drucker«, fährt Douglas fort. »Es heißt, man hätte in einem Privathaus oben bei Finsbury eine illegale Druckerpresse gefunden. Sie werden aus dem armen Kerl noch die Namen der Verfasser herausbringen, ehe sie ihn hängen. Das kann für einige Leute, die wir kennen, böse Folgen haben.«
Henry Howard hebt eine Hand und fordert Douglas scharf auf, nicht weiterzusprechen. Der Schotte schaut ihn verdutzt an, bis Anne Howard den Kopf hebt und mit piepsiger Stimme fragt:
»Morde?«
Philip Howard und sein Onkel wechseln einen Blick.
»Du erinnerst dich doch sicher, dass ich den tragischen Tod einer der Hofdamen der Königin erwähnt habe, meine Lie be?«, erwidert Philip dann beschwichtigend. »Am Hof wurde spekuliert – wie immer in solchen Fällen –, dass es sich um Mord gehandelt haben könnte. Du weißt ja, wie schnell sich solche Gerüchte verbreiten können.«
Douglas prustet in sein Glas, sodass Wein über den Tisch spritzt; Anne blickt verängstigt von ihm zu ihrem Mann. Mir kommt der Gedanke, dass sie nicht viel über Gerüchte wissen kann, wenn sie noch nicht einmal von den Morden am Hof gehört hat, von denen einer kaum eine halbe Meile von ihrem eigenen Haus entfernt verübt wurde. Ob ihr Mann sie hier einsperrt wie eine Maid in einer höfischen Romanze? Während die Gruppe sie unsicher mustert, nutze ich die Gelegenheit, um die Hand unter den Tisch zu schieben und mein Glas Wein auf dem Boden unter meinem Stuhl auszukippen. Die Binsen saugen den Inhalt ebenso lautlos auf wie den der beiden vorigen Gläser, die ich in einem günstigen Augenblick dort geleert hatte. Soweit ich weiß, hat bisher niemand etwas bemerkt, ich habe nur befriedigt registriert, dass Henry Howard jedes Mal, wenn Douglas und ich den Jungen mit der Flasche zu uns beordert haben, missbilligend die Stirn gerunzelt hat. Es ist zwingend notwendig, dass Howard mich für mindestens so betrunken wie Douglas hält – obwohl dem Schotten, abgesehen von seiner blühenden Gesichtsfarbe, nichts von der Weinmenge anzumerken ist, die er bereits in sich hineingeschüttet hat. Der Mann muss das Naturell eines Ochsen haben.
»Meine Frau leidet stark unter Nervosität und anderen Beschwerden«, erklärt Philip Howard den Anwesenden, als hätte er meine unausgesprochene Frage gehört. »Sie möchte nicht mit den unbedeutenden Vorfällen am Hof und seinen Intrigen behelligt werden.«
Anne streichelt unablässig die Ohren des Hundes, dabei betrachtet sie sanftmütig ihren Mann. Maries Gesicht verdüstert sich. Ich kann mir lebhaft vorstellen, was sie zu so einem Mann sagen würde, aber sie versteht genug von Diplomatie, um den Mund zu halten. Ich beobachte, wie Anne dem Hund unter dem Tisch ein Stück Fleisch gibt. Ihre Haut ist so weiß, dass sie im Kerzenschein ein eigenes Licht zu verströmen scheint. Möglicherweise muss eine kränkliche Frau für einen forschen
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