Frevel: Roman (German Edition)
auf.
»Bitte! Lasst uns nicht gleich den Kopf verlieren. Es wird kein Attentat geben. Ich denke, unser Freund Bruno hat zu viel Wein getrunken.«
»Wie auch immer – er stammt aus Neapel.« Marie misst mich mit einem Blick, von dem Wein sauer werden könnte. »Dort gibt es bekanntermaßen viele Hitzköpfe. Wer hat Euch denn diesen Unsinn eingeredet, Bruno?«
Howard setzt sich wieder und fixiert mich mit seinen dunklen Augen.
»Ja, Bruno«, insistiert er mit eisiger Kälte. »Woher habt Ihr diese ausgefallene Idee?«
»Nun, vielleicht habe ich etwas falsch verstanden«, beginne ich stockend. »Aber wenn Maria Stuart den englischen Thron besteigen soll, müsste doch erst einmal ihre Base aus dem Weg geräumt werden, oder? Daher habe ich angenommen, dass sie, wenn diese Invasion stattfindet …« Ich breche achselzuckend ab, blicke in die Runde und hoffe, dass meine gespielte Naivität überzeugend wirkt. Fowler sieht mich nach wie vor nicht an, vermutlich will er sich seinen Ärger nicht anmerken lassen.
Howard lacht nachsichtig. Meiner Meinung nach klingt Erleichterung darin mit.
»Ich verstehe – Ihr dachtet, wir müssten uns der alten Herrscherin entledigen, wenn wir eine neue auf den Thron bringen wollen? Nein, nein, Bruno – so mag man womöglich in Neapel vorgehen, hier aber sind wir keine solchen Barbaren.«
Ich hätte ihn am liebsten darauf hingewiesen, dass er soeben von einer Invasion von zwanzigtausend oder mehr Soldaten gesprochen hat, die Krieg gegen eine friedliche Nation führen sollen, doch ich halte mich zurück.
»Dieser Staatsstreich, wenn Ihr ihn so nennen wollt«, fährt Howard glatt fort, »muss nach den Regeln des Gesetzes durchgeführt werden. Was Ihr als Ausländer eventuell nicht begriffen habt, Bruno, ist, dass Elisabeth Tudor nicht Englands rechtmäßige Königin ist und es auch nie war. Den einfachen Leuten im Land wurde vorgegaukelt, das Thronfolgerecht wäre auf sie übergegangen. Diese Ansicht muss korrigiert werden. Sie im Namen des katholischen Glaubens zu ermorden würde sie in den Augen des Volkes nur zu einer Märtyrerin machen – danach wäre es für jeden katholischen Monarchen unmöglich, die Ordnung wiederherzustellen oder die Zuneigung seiner Untertanen zu erringen. Nein, wir müssen zivilisierter vorgehen.« Er lächelt und presst die Fingerspitzen gegeneinander.
»Oh, ein zivilisierter Staatsstreich?«, gebe ich zurück. »So etwas habe ich noch nie erlebt – wie funktioniert das? Entschuldigen sich die Truppen, wenn sie in eine Stadt einmarschieren?«
Marie muss ein Kichern unterdrücken, Howards Lächeln verebbt.
»Worauf mein Onkel hinauswill, Doktor Bruno, wenn ich Euch das auseinandersetzen darf«, mischt sich Philip Howard ein, »ist, dass wir die Leute behutsam lenken müssen, wenn wir England in den Schoß der wahren Kirche zurückführen wollen. Das kann nicht nur mit Schwertern und Armbrüsten geschehen, sondern hauptsächlich, indem wir England seinen Irrtum vor Augen führen. Wir kämpfen hier einen heiligen Krieg, und ich denke, wir alle sind uns einig, dass nicht mehr Blut vergossen werden darf als unbedingt nötig, um Gottes Werk zu tun.« Seine Stimme zittert leicht, als er in aufrichtiger Ergriffenheit eine Hand auf sein Herz legt.
»Mein Neffe ist der Heilige in der Familie«, bemerkt Henry Howard trocken.
»Aber der Nolaner hat Recht«, schnauft Mendoza. »Die Prätendentin Elisabeth muss verhaftet und öffentlich vor einem päpstlichen Gericht als Verräterin und Ketzerin angeklagt werden.«
»Der Bevölkerung muss auf rechtsstaatlichem Weg bewiesen werden, dass Maria Stuart die einzige legitime Erbin der Tudor-Krone ist«, erklärt Howard mit mühsam gezügelter Ungeduld. »Das ist unbedingt erforderlich, wenn das Volk sie und ihre Erben als rechtmäßige Herrscher anerkennen soll.«
Der mir gegenüber sitzende Douglas hebt mit einem Ruck den Kopf und starrt Howard an. Fowler hat sich ebenfalls aus seiner Gedankenversunkenheit gelöst und den Blick auf Howard gerichtet. Ein verwunderter Ausdruck huscht über sein Gesicht. Marie dreht sich um und heftet ihren Blick mit schmalen Augen auf Howard. Dieser hält den Blicken der anderen trotzig stand, kann aber nicht verhindern, dass ihm eine leise Röte in die Wangen steigt. Er weiß, dass auch er zu viel gesagt hat.
»Soweit mir bekannt ist«, Douglas zieht die Worte in die Länge und lehnt sich in seinem Stuhl zurück, »hat Maria nur einen Erben, und das ist König James von
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