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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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Siegelring mit einem eingravierten Wappen, ein Handspiegel aus Schildpatt und eine diamantförmige Glasphiole mit Parfüm von der Art, die Frauen um den Hals tragen, mit einem goldenen Verschluss und einer daran befestigten Kette. Liebesunterpfänder, eindeutig kostbar, aber was können sie mir über Cecily Ashe und ihren Liebhaber erzählen? Ich halte sie nacheinander ins Licht und inspiziere sie. Das Siegel auf dem Ring zeigt einen Vogel mit ausgebreiteten Schwingen und einem gebogenen Schnabel, einen Adler vielleicht, und die Buchstaben rund um den Rand sind in Spiegelschrift eingraviert, sodass man sie lesen kann, wenn der Ring in warmes Siegelwachs gepresst wird. Ich runzele die Stirn, während ich versuche, das Motto zu entziffern, bis ich begreife, dass es in französischer Sprache verfasst ist: Sa Virtu M’Atire . »Ihre Tugend fesselt mich« – oder vielleicht »seine Tugend«. Doch das Wort attire ist falsch geschrieben – ein merkwürdiger Fehler. Man sollte denken, dass jeder, der einen teuren goldenen Ring gravieren lässt, darauf achtet, dass der Goldschmied keinen Schreibfehler macht, und geradeso würde dieser selbst Wert darauf legen, nur fehlerlose Arbeiten abzuliefern, wenn er sein Geld wert ist. Demnach, überlege ich, derweil ich den Ring zwischen den Fingern drehe und der Inschrift mit den Augen folge, müsste hinter dem, was auf den ersten Blick wie ein Fehler aussieht, eine Absicht stecken, und das könnte wiederum bedeuten, dass das Motto eine verborgene oder verschlüsselte Bedeutung hätte. Wenn das tatsächlich der Fall wäre, würde ich vorerst noch nicht schlau daraus; ich weiß genauso wenig wie Abigail, wessen Wappen dieser Vogel ist, obwohl es so aussieht, als habe der Betreffende Beziehungen zu Frankreich. Was mir auch nicht weiterhilft – die Hälfte aller englischen Edelleute hat französische Vorfahren, und jeder Angehörige des niederen Adels sowie der höheren Klassen beherrscht zumindest ein paar Worte dieser Sprache.
    Der kleine Spiegel ist das am wenigsten interessante Objekt. Ich drehe ihn gleichfalls in den Händen, aber er gibt nichts preis. Das Schildpatt ist so auf Hochglanz poliert, dass ich mein Gesicht fast genauso klar in dem gelbbraunen Muster erkennen kann wie in dem Spiegelglas. Frustriert lege ich ihn zur Seite und öffne die Parfümflasche. Als ich sie an die Nase halte, verstehe ich augenblicklich, was Abigail gemeint hat: Unter dem Duft von Rosenwasser verbirgt sich so etwas wie eine leichte Bitternote, ein säuerlicher Pflanzengeruch, bei dem man unwillkürlich zusammenzuckt. Bezüglich der Unkenntnis eines Mannes in Parfümfragen irrt sich Abigail jedoch – der Unbekannte, von dem diese Geschenke stammen, ist eindeutig ein Mann mit Geschmack und überdies ausgesprochen großzügig. Warum also sollte er seiner Geliebten ein derart offenkundig unangenehm riechendes Parfüm verehren? Ich kippe die Flasche leicht, tupfe einen Tropfen der klaren Flüssigkeit auf meine Fingerspitze und führe sie zum Mund, doch gerade als ich sie mit der Zunge berühren will, hämmert jemand gegen die Tür.
    »Bruno? Seid Ihr da?«
    Dumas. Ich beeile mich, die Geschenke in den Samtbeutel zurückzustopfen, und lasse in meiner Hast den kleinen Spiegel fallen, der mit einem Unheil verkündenden Knacken auf dem Boden landet.
    »Einen Augenblick!« Mit einem stummen Fluch hebe ich ihn auf, drehe ihn um und stelle erleichtert fest, dass das Glas nicht zerbrochen ist. Der Rahmen hingegen scheint beschädigt worden zu sein, er fühlt sich so locker an, als könnte das Glas herausrutschen. Doch mir bleibt keine Zeit, mir den Schaden genauer anzusehen; ich schiebe den Beutel unter mein Kopfkissen und öffne Dumas die Tür. Er steht vor mir, ringt die Hände und zieht ein Gesicht wie ein erschrockener Hase.
    »Der Botschafter schickt nach Euch. Ich weiß nicht, worum es geht. Glaubt Ihr, er hat herausgefunden, was wir …« Er bricht ab, sucht nach dem richtigen Wort.
    »Was wir heimlich treiben? Na, wir wollen doch nicht gleich das Schlimmste befürchten.« Ich klopfe ihm aufmunternd auf die Schulter, als ich mich an ihm vorbei durch die Tür dränge, obwohl mir der Umstand, dass mich Castelnau den ganzen Morgen lang gesucht hat, auch nicht gefällt. Dumas sieht zu, wie ich die Tür meiner Schlafkammer verschließe. Geheimnisse muss man in diesem Haus gut hüten.
    Castelnau blickt von seinem Schreibtisch auf, als ich sein Arbeitszimmer betrete. Er wirkt ernst, aber nicht

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