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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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ärgerlich.
    »Bruno! Ihr macht Euch rar. Setzt Euch doch.« Er deutet auf einen Stuhl vor dem leeren Kamin, auf dem mehrere bestickte Kissen liegen. Dumas scharrt hinter mir nervös mit den Füßen; er weiß offensichtlich nicht, ob er bleiben soll oder nicht. Castelnau wendet sich an ihn. »Léon, Ihr habt doch sicherlich noch etwas zu tun, nicht wahr?«
    Dumas huscht zu seinem kleinen Schreibtisch in der Ecke. Castelnau winkt mit einer Hand in seine Richtung.
    »Macht Euch seinetwegen keine Gedanken, Bruno. Ich habe keine Geheimnisse vor Léon – oder, Léon?« Er lächelt freundlich. Dumas gibt einen Laut von sich, der irgendwo zwischen einem Quieken und einem Hüsteln liegt. Hinter dem Rücken des Botschafters durchbohre ich ihn mit einem harten Blick. Ich habe noch nie einen Mann gesehen, dem sein schlechtes Gewissen so offen im Gesicht geschrieben steht. Wenn Courcelles ihm nur ein paar Lektionen in schmieriger Heuchelei erteilen könnte, wäre unsere Mission um einiges einfacher.
    »Trinkt Ihr ein Glas Wein?« Castelnau greift nach einer venezianischen Karaffe auf seinem Schreibtisch. Als ich mit der Begründung, dafür sei es noch zu früh, ablehne, wirkt er enttäuscht, gießt sich aber trotzdem ein großes Glas ein und zieht sich den Stuhl gegenüber von meinem heran. »Ich weiß, dass Euch das, was Ihr gestern Abend beim Essen gehört habt, beunruhigen muss.«
    »Falls ich nichts falsch verstanden habe, Mylord, klang es ganz so, als würde Lord Henry Howard versuchen, einen Krieg anzuzetteln.«
    Castelnau seufzt. Er wirkt erschöpft; zum ersten Mal, seit ich ihn kenne, merkt man ihm sein Alter an. Ich frage mich, ob das an den Intrigen der schottischen Königin oder der Rückkehr seiner Frau liegt.
    »Ihr habt nichts falsch verstanden. Wie Ihr ja selbst miterlebt habt, ist meine Frau eine glühende Anhängerin des Herzogs von Guise, doch Ihr sollt wissen, dass weder König Henri noch ich mit seinen Plänen einverstanden sind – obgleich der König im Moment seine eigenen Probleme hat. Ich brauche Euch auf meiner Seite, Bruno, um zu Toleranz, Diplomatie und Verhandlungen zu raten, wenn sie mit ihrem Gerede von einer Invasion beginnen. Steht mir bei – wir dürfen ihr Vertrauen nicht verlieren. Ich tue mein Bestes, um jeden zur Geduld zu mahnen.«
    »Vielleicht finden sie, dass sie sich lange genug in Geduld gefasst haben.«
    »Hm.« Er setzt das Glas an die Lippen und leert es, dann schüttelt er den Kopf. »Wenn Elisabeth sich doch nur nicht so störrisch geweigert hätte, den Herzog von Anjou zu heiraten! Dann bestünde zwischen unseren Ländern ein starkes Bündnis. Aber ich sehe jetzt, dass sie uns alle zum Narren gehalten hat. Sie hatte niemals den Wunsch zu heiraten. Zumindest in diesem Punkt hat sie Weisheit bewiesen.«
    Er fügt den letzten Satz mit solcher Vehemenz hinzu, dass mir klar wird, dass er nicht mehr an die Königin denkt. So, wie ich Marie de Castelnau bislang wahrgenommen habe, bezweifle ich, dass ihm in seiner Ehe Frieden beschieden ist.
    »Henry Howard ist in diesem Land so mächtig wie der Herzog von Guise in Frankreich«, fährt Castelnau fort. »Beide verfügen über genug Einfluss, um ihren jeweiligen Herrschern Angst einzujagen – aber nicht über so viel, wie sie es gerne täten. Also streben sie jetzt ein geheimes Bündnis mit Spanien an, um sich die nötigen Mittel für die Durchführung ihrer Pläne zu verschaffen.«
    »Eine große katholische Zurückeroberung.«
    »Ich weiß, dass Ihr kein fanatischer Anhänger der katholischen Kirche seid, Bruno.« Castelnau neigt sich nach vorn, fixiert mich mit seinen großen, traurigen Augen und schließt die Hände um sein Glas. »Aber das Blatt wendet sich. Der protestantische Glaube schwächt sich ab – in Frankreich, in den Niederlanden und auch auf dieser Insel. Er hat eine Zeit lang geblüht, konnte sich allerdings nicht behaupten. Ich wage zu prophezeien, dass er am Ende dieses problembeladenen Jahrhunderts nur noch als Experiment in der Erinnerung der Menschen leben wird, als Warnung für unsere Söhne und Töchter. Alle Omen deuten auf den Anbruch einer neuen Ära hin. Dafür müssen wir bereit sein.«
    »Dann haltet Ihr diesen Krieg für unvermeidlich, Mylord?« Ich reibe mir verwirrt mit dem Daumen über die Brauen. »Was bringt es denn dann noch, sich dagegen auszusprechen?«
    »Nein, ich halte die Wiedereinführung des katholischen Supremats für unvermeidlich«, erwidert er mit ernstem Gesicht. »König Henri hat den

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