Frevel: Roman (German Edition)
Protestanten in Paris zu viel Freiheit gelassen, und ich glaube nicht, dass er den Aufstieg des Herzogs von Guise noch aufhalten kann. Vielleicht kann man ja dennoch beide Herrscher dazu bewegen, sich der katholischen Macht ohne Krieg zu unterwerfen. Das ist meine große Hoffnung. Ihr seht also, in welcher Zwangslage ich mich befinde, Bruno: Ich darf einerseits nicht den Eindruck erwecken, dieser Invasion absolut ablehnend gegenüberzustehen, falls Guise in Paris zu noch größerer Macht gelangt. Andererseits darf ich mich und Frankreich gleichzeitig nicht zu sehr in diese Sache einbringen – als Diplomat muss ich alle Parteien dazu drängen, mit friedlichen Mitteln für ihre Ziele zu kämpfen.« Er schüttelt bekümmert den Kopf und dreht sich zum Fenster, und ich begreife jetzt, was Fowler gemeint hat, als er sagte, Castelnau würde zu sehr versuchen, es allen recht zu machen.
Ich formuliere gerade im Geiste eine Antwort, als die Tür plötzlich mit solcher Wucht aufgestoßen wird, dass das Holz erzittert. Auf der Schwelle erscheint ein Mann, der fast den gesamten Türrahmen ausfüllt. Er hat die Arme vor der Brust verschränkt, sein schwarzer Bart ist borstig, und seine finstere Miene könnte die Farbe von den Porträts an der Wand abblättern lassen. Angesichts dieses Auftritts zieht sich Dumas zusehends tiefer in seine Ecke zurück. Castelnau indes setzt sein glattes Diplomatengesicht auf, erhebt sich und begrüßt den Besucher auf Spanisch.
»Don Bernadino. Das ist eine unerwartete Freude.«
»Spart Euch Eure Schmeicheleien für die Engländer auf, Castelnau. Wir wissen beide, dass das nicht der Fall ist. Aber ich habe Neuigkeiten für Euch, die Euch Feuer unter dem Hintern machen werden.« Der spanische Botschafter dreht sich um und spießt mich förmlich mit seinem düsteren Blick auf. »Wer zum Teufel ist das?«
»Giordano Bruno von Nola, zu Euren Diensten«, versetze ich ebenfalls auf Spanisch, dabei stehe ich auf und verbeuge mich.
Mendozas Augen werden schmal, und er nickt langsam.
»Das ist also König Henris italienischer Ketzer. Ich habe schon von Euch gehört. Vermutlich glaubt Ihr, Ihr wärt hier sicher.« Er wendet sich wieder an Castelnau. Seine Augen funkeln verächtlich, als er mit einem wurstähnlichen Zeigefinger vor dem Gesicht des Botschafters herumfuchtelt. »Genau das ist Euer Problem, Michel – Ihr nehmt Männer wie den hier in Euer Haus auf und füttert sie durch, und dann wundert Ihr Euch, warum niemand Euch oder Euren König ernst nimmt. Mein König Philip …«, jetzt bohrt er den Finger in seine eigene Brust, »… stellt spanisches Geld und Männer zur Verfügung, um die Ketzerei zu bekämpfen, während Euer König Henri seine Truhen öffnet, um ihr Vorschub zu leisten!« Er misst mich mit einem wutentbrannten Blick, den ich ungerührt zurückgebe, damit er sieht, dass ich mich nicht einschüchtern lasse. »Schickt ihn hinaus«, befiehlt Mendoza mit einer knappen Geste, als hätte er hier das Sagen. »Und ihn auch.« Er deutet auf Dumas, der zitternd hinter seinem Schreibtisch in der Ecke kauert. »Was ich kundzugeben habe, ist nicht für die Ohren von Dienstboten bestimmt.«
Castelnau schaut mich an und nickt mit einem entschuldigenden Lächeln in Richtung Tür. Ich steuere darauf zu, Dumas schiebt seine Papiere zu einem Stapel zusammen, erhebt sich und folgt mir, während Mendoza uns ungeduldig schnaufend nachsieht.
Draußen im Korridor richtet Dumas seine angsterfüllten Augen auf mich und flüstert: »Was meint Ihr, worum handelt es sich bei diesen Neuigkeiten?«
»Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, Philip von Spanien hat sich einverstanden erklärt, Geld in Maria Stuarts Pläne zu investieren. Und wenn ich Recht habe …« Ich beende den Satz nicht. »Es steht viel mehr auf dem Spiel, als ich dachte, Léon. Wir dürfen jetzt nicht versagen.«
Auf dem Rückweg zu meiner Kammer stoße ich auf Marie und Courcelles, die an einem Erkerfenster stehen, die Köpfe zusammenstecken und miteinander tuscheln. Sowie sie mich bemerken, verstummen sie, und Courcelles weicht mit schuldbewusstem Gesicht zurück. Es ist ein Verhalten, das ich kenne; vielleicht benehmen sich alle Männer in Maries Gegenwart so. Sie hat etwas an sich, das einem das Gefühl gibt, einen Schritt zu weit gegangen zu sein. Sie selbst scheint sich dessen überhaupt nicht bewusst zu sein, oder sie gibt es jedenfalls vor.
»Nun, Bruno?«, ruft sie, als ich in der Hoffnung, an ihnen vorbeizukommen, ohne
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