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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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er in dem Kristall sieht oder zu sehen vorgibt.«
    Dee macht Anstalten, Einwände zu erheben, aber unvermittelt scheint ihn eine abgrundtiefe Müdigkeit zu überkommen, und er lässt den Kopf hängen.
    »Vielleicht habt Ihr Recht, Bruno. Besser, ich gebe meinen Feinden nicht noch mehr Waffen gegen mich in die Hand.«
    Ich schiele zu dem steifen kleinen Körper der braunen Maus in der Kiste hinüber und erinnere mich an ihren Herzschlag, den ich in der Hand gespürt hatte. Wie schnell doch ein Leben ausgelöscht werden kann, denke ich. Wenn wir nur der Reise der Seele folgen könnten, wenn sie den Körper verlässt, und dann zurückkehren, um den Weg kartografisch festzuhalten wie die Abenteurer der Neuen Welt oder wie Mercator mit seinen Globen. Die Maus hat ihr Leben allerdings nicht umsonst gelassen; sie hat zumindest bewiesen, dass es den Feinden der Königin beinahe gelungen war, bis in ihre Privatgemächer vorzudringen. Aber wie sollen wir mit der Suche nach ihnen beginnen?
    Als ich mich an der Tür von Dee verabschiede, fällt mir plötzlich eine Frage ein, die, wenn überhaupt, nur er beantworten kann.
    »Der siebzehnte Tag des Novembers – hat er irgendeine besondere astrologische Bedeutung? Ich habe schon darüber nachgedacht, aber ich habe nicht die richtigen Karten und Tabellen hier, um zu berechnen, ob die Sterne irgendein spezielles Ereignis ankündigen.«
    Dee kichert. »Bezüglich des Himmels kann ich nichts sagen, dagegen wird Euch jeder Engländer darüber aufklären, dass sich morgen der Tag der Thronbesteigung Ihrer Majestät jährt – 1570 hat sie ihn zu einem öffentlichen Feiertag erklärt. Es werden Umzüge und Prozessionen stattfinden, um ihre glorreiche Herrschaft zu feiern. Und dieses Jahr sollte man ihn sich nicht entgehen lassen, denn es ist der fünfundzwanzigste seit ihrer Krönung. Warum fragt Ihr?«
    Ich zögere – überlege, ob ich ihm von dem Zettel erzählen soll, der in Cecily Ashes Spiegel versteckt war, jedoch ich fürchte, er würde sofort zu demselben Schluss kommen wie ich, nur dass er diese Erkenntnis mit Ned Kelleys lächerlichen Fantasien in Verbindung bringen und sich verpflichtet fühlen würde, die Königin auf diese leicht hysterische Art zu warnen, die er manchmal an den Tag legt. Meine Gedanken überschlagen sich, während Dee mich erwartungsvoll ansieht. Hatte derjenige, der Cecily eine als Parfümflasche getarnte Giftphiole gegeben hat, ihr auch das Datum mitgeteilt, an dem sie das Gift benutzen soll? War der fünfundzwanzigste Jahrestag von Elisabeths Thronbesteigung dazu bestimmt gewesen, zugleich ihr Todestag zu werden? Der Aufruhr, den eine derartige Andeutung bei Hof auslösen würde, würde so viel Staub aufwirbeln, dass die Spuren des eigentlichen Komplotts davon verdeckt werden würden, und außerdem muss, falls dies in der Absicht der Verschwörer gelegen haben sollte, etwas schiefgegangen sein. Cecily Ashe ist tot, und das Gift befindet sich sicher in Dees Laboratorium. Heißt das, dass der potenzielle Mörder versuchen wird, einen anderen Weg zu finden, um an dem Ehrentag der Königin einen Anschlag auf sie zu verüben? Für mich besteht jetzt kein Zweifel mehr daran, dass Cecily von dem Mann getötet wurde, der ihr diese Geschenke gemacht, sie in seine Pläne, die Königin zu vergiften, verwickelt und ihren Leichnam dann mit einem Abbild der erstochenen Elisabeth in der Hand zurückgelassen hat – als Hinweis auf den Auftrag, den sie aus irgendeinem Grund nicht mehr ausgeführt hat.
    »Bruno? Ihr seht aus, als würde Euch etwas bedrücken.« Dee betrachtet mich mit einem väterlich sorgenvollen Stirnrunzeln. »Stimmt irgendetwas nicht?«
    »Nein, nein – einer der Botschaftsdiener hatte das Datum erwähnt, und ich habe mich gefragt, warum es wichtig sein könnte.« Ich forsche in seinem Gesicht, und da mich unversehens eine Welle der Zuneigung zu ihm erfasst, nehme ich ihn wieder bei den Schultern und küsse ihn auf beide Wangen. Er wirkt überrascht, aber erfreut. »Vergesst nicht – kein Wort über irgendwelche Visionen, wenn Ihr bei der Königin seid«, füge ich über meine Schulter hinweg hinzu, als ich mich zum Gehen wende.
    Ich hatte den Bootsmann, der mich nach Mortlake gebracht hat, bezahlt, damit er auf mich wartet; so weit flussaufwärts sind Fährboote schwer zu bekommen. Wir sind seit ungefähr zwanzig Minuten in Richtung London unterwegs, als ich ein weiteres kleines Boot bemerke, das uns in einem Abstand von ungefähr fünfzig Yards

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