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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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Gottes, William, es gibt Hunderte, wenn nicht Tausende von Komplotten in diesem Land!«, entfährt es Walsingham. Er presst eine Hand auf seine Stirn und beginnt, in dem engen Raum zwischen dem Ladedock und Abigails Leichnam auf und ab zu gehen. »Die meisten bewegen sich auf der Ebene dieses Burschen, den wir mit Pistolen herumfuchtelnd und wirres Zeug brabbelnd auf der Straße von York aufgegriffen haben. Doch wenn wir eine Flasche mit Gift in unmittelbarer Nähe der Schlafkammer der Königin finden, wohin sie von einem Mädchen gebracht worden war, das einen Ring mit dem Emblem von Maria Stuart besitzt, dann können wir meiner Meinung nach davon ausgehen, dass wir es fürwahr mit einer äußerst ernsten kriegerischen Verschwörung zu tun haben, mit der Absicht, einen Königsmord zu begehen.«
    »Hierauf frage ich erneut – warum die Aufmerksamkeit auf ein Komplott lenken, das zum Ziel hat, die Königin zu töten, wenn diese Morde dazu bestimmt sind, genau dieses Komplott zu vertuschen?«
    »Ich weiß es nicht, Bruno – um Furcht und Verwirrung zu säen? Um uns in die eine Richtung zu lenken, während sie aus einer anderen angreifen? Wie dem auch sei – ich dachte, Ihr hättet beschlossen, das Rätsel ohne Hilfe zu lösen.« Die unterdrückte Wut in seiner Stimme ist nicht zu überhören, und da er ihr mit beiden Händen durch eine gereizte Geste Ausdruck gibt, schwenkt er die brennende Fackel gefährlich. Das flackernde Licht lässt irgendetwas an Abigails Hals aufblitzen. Ich strecke eine Hand aus, um es zu berühren – und ziehe gleich darauf meine Finger instinktiv von ihrer kalten Haut zurück. Wieder erinnere ich mich daran, wie dicht sie unter dem Holbeintor bei mir stand; an die Wärme und Festigkeit ihres Fleisches, als ich das erste Mal in den Gemächern der Königin in Richmond mit ihr gesprochen hatte. Dieses blühende Leben – so bedenkenlos ausgelöscht wie eine Kerze. Ich beiße die Zähne zusammen, strecke die Hand ein zweites Mal aus und zwinge mich, nunmehr nicht zurückzuweichen, dann fingere ich eine dicht an ihrem Hals befestigte massive Goldkette aus dem erkalteten Fleisch. Der Anhänger ist hinter ihren Kopf gerutscht und hat sich in ihrem Haar verfangen; ungeduldig nestele ich daran herum, bis ich die Kette samt einigen rotgoldenen Strähnen in der Hand halte. An ihr hängt ein rautenförmiges goldenes Medaillon.
    »Seht Euch das an.« Gewissermaßen um Wiedergutmachung zu leisten, halte ich es Walsingham hin.
    Er dreht es zwischen den Fingern, danach blickt er mich erwartungsvoll an.
    »Ich habe es nie an ihr gesehen«, füge ich hinzu.
    »Sie könnte ihren kostbarsten Schmuck für besondere Anlässe bei Hof aufgehoben haben. Öffnet das Medaillon.« Walsingham hält das Licht ruhig; sogar Burghley tritt näher, um es sich anzusehen. Der Verschluss ist klein, ungeschickt hantiere ich daran herum. Burghley beginnt, mit den Füßen zu scharren und mit gespitzten Lippen pfeifend den Atem auszustoßen.
    »Wir sollten uns nicht mehr allzu lange hier aufhalten – das Konzert muss fast vorbei sein.«
    Walsingham schenkt ihm keine Beachtung, sondern beugt sich vor, sodass die Hitze der Fackel mir fast das Gesicht versengt. Ich schiebe einen Fingernagel in den Verschluss, woraufhin er endlich aufspringt. Auf der rechten Seite des Medaillons kommt ein Emaillebild zum Vorschein, dem das Wasser offenbar nicht geschadet hat. Es zeigt einen roten Phönix mit nach links gedrehtem Kopf und ausgebreiteten Schwingen in einem Nest aus Flammen. In die linke Hälfte sind zwei Initialen eingraviert, ein großes M, das mit einem gewundenen S verschlungen ist. Ich reiche Walsingham das Schmuckstück. Wenngleich Schatten über sein Gesicht tanzen, sehe ich, wie er blass wird.
    »Was ist, Francis?« Burghleys Stimme klingt plötzlich besorgt.
    Walsingham umklammert das Medaillon mit der Faust.
    »Maria Stuart. Immer wieder Maria Stuart. Also war dieses Mädchen auch an dem Komplott beteiligt. Himmel, haben sie denn den gesamten Haushalt der Königin angeworben?«
    »Das Medaillon war nicht Abigails Eigentum.« Ich höre, wie meine Knie knacken, als ich mich endlich erhebe und meine steifen Beine schüttele.
    »Woher wisst Ihr das?«
    Ich berichte ihm von Abigails merkwürdigem Verhalten am Holbeintor. »Als sie mir das erste Mal von Cecilys heimlichem Verehrer und seinen Geschenken erzählte, erwähnte sie ein Medaillon, aber in dem Beutel mit den Sachen, den sie mir später ausgehändigt hat, befand sich kein

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