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Frevelopfer

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Titel: Frevelopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Du findest, dass ich eine komische alte Schachtel bin, die lauter Unsinn über Elektrosmog faselt.«
    »Ich hab dich immer ernst genommen, etwas anderes käme für mich nicht infrage. Es gibt viele, die wegen elektromagnetischer Strahlung, Mikrowellen und Handys und was weiß ich noch besorgt sind.«
    »Handys kochen einem das Hirn weg, kochen es wie ein Hühnerei, bis es hart wird und kaputtgeht«, sagte Petrína und hämmerte sich mit der Faust gegen den Kopf. »Die flüstern einem was zu, alles mögliche teuflische Zeugs.«
    »Ja, sie sind am schlimmsten«, beeilte Elínborg sich zu sagen und griff nach Petrínas Hand, damit sie aufhörte, sich zu schlagen.
    »Ich hab es ja auch nicht so gut gehört, denn der Mann hatte es eilig, aber er kam nicht schnell vorwärts. Er ist hier auf so einer Antenne wie der Blitz weitergehumpelt. Es war …«
    »Ja?«
    »Es war, als ginge es um sein Leben.«
    »Und was hast du gehört?«
    »Gehört? Ich konnte nicht hören, was er sagte.«
    »Du hast doch gesagt, du hättest eine Sendung von ihm gehört.«
    »Das kann gut sein, aber ich habe nicht gehört, was er am Telefon sagte. Ich hörte nur ein Rauschen, das waren die Elektrowellen. Ich hab nichts von dem gehört, was er gesagt hat. Er hat sich so beeilt, er ist fast gerannt. Ich habe nichts gehört.«
    Elínborg starrte die Frau an und versuchte, sich auf das, was sie sagte, einen Reim zu machen.
    »Was ist?«, fragte die alte Frau, als Elínborg sie eine ganze Weile wortlos angeblickt hatte. »Glaubst du mir nicht? Ich habe nicht gehört, was er gesagt hat.«
    »Hatte er ein Handy?«
    »Ja.«
    »Hat er mit dem Handy telefoniert?«
    »Ja.«
    »Weißt du, wie spät es war?«
    »Es war Nacht.«
    »Könntest du das ein wenig präzisieren?«
    »Wozu?«
    »Hattest du den Eindruck, dass er aufgeregt war?«, fragte Elínborg, die ihre Worte sehr sorgfältig zu wählen versuchte.
    »Ja, das war deutlich zu sehen. Der Mann hat sich unglaublich beeilt. Das war für mich klar. Und wegen seinem Bein kam er gar nicht so schnell vorwärts, wie er wollte.«
    »Weißt du, wo genau das Verbrechen in der Straße unten begangen wurde? In welchem Haus?«
    »Selbstverständlich, Nummer achtzehn. Das habe ich in der Zeitung gelesen.«
    »Ist der Mann mit dem Handy vielleicht in die Richtung gegangen?«
    »Das hat er getan, das hat er wahrhaftig getan. Mit dem Bein und dem Handy.«
    »Hast du gesehen, ob er aus einem Auto ausgestiegen ist? Oder ob er denselben Weg wieder zurückgekommen ist? Hast du ihn noch einmal gesehen?«
    »Nein, nein und nochmals nein. Das Buch, das deine Tochter da liest, ist es gut?«
    Elínborg hörte die Frage nicht, denn sie dachte an die Fluchtwege vom Haus Nummer 18 und erinnerte sich an ein Pfädchen, das zum Nachbargarten führte und von da aus in die Parallelstraße.
    »Hast du eine Vorstellung, wie alt dieser Mann gewesen sein könnte?«, fragte sie.
    »Nein, das weiß ich nicht. Ich weiß nicht, wer dieser Mann ist. Glaubst du vielleicht, dass ich ihn kenne? Ich kenne ihn überhaupt nicht. Ich weiß nicht, wie alt er ist.«
    »Du hast gesagt, er hätte eine Mütze auf dem Kopf gehabt.«
    »Ist das Buch spannend?«, fragte Petrína wieder und ging nicht auf Elínborgs Frage ein, sondern reichte ihr das Buch. Sie hatte genug von diesem Quatsch über den Mann, den sie gesehen hatte, als sie am Fenster auf die Leute von den Stadtwerken gewartet hatte. Sie wollte über etwas anderes reden.
    »Sehr spannend«, sagte Elínborg.
    »Würdest du mir vielleicht ein bisschen daraus vorlesen?«, fragte Petrína und sah Elínborg bittend an.
    »Vorlesen?«
    »Würdest du das für mich tun? Nur ein paar Seiten. Es braucht nicht viel zu sein.«
    Elínborg zögerte. Sie hatte zwar in all den Jahren, die sie bei der Polizei gewesen war, vieles erlebt, aber noch nie war eine so bescheidene Bitte an sie herangetragen worden.
    »Ich lese dir etwas vor«, sagte sie. »Das ist doch selbstverständlich.«
    »Vielen Dank, meine Liebe.«
    Elínborg öffnete das Buch beim ersten Kapitel und begann, von den Abenteuern der Kinder zu lesen und von ihrem Zusammentreffen mit dem verkrüppelten Róbert, der ein geschientes Bein hatte. Hinter ihm verbarg sich ein grauenvolles Geheimnis, und er wollte die Kinder umbringen. Schon nach zehn Minuten war Petrína friedlich im Sessel eingeschlafen, allem Anschein nach frei von allen Sorgen über Elektrosmog und Uran.
    * * *
    Als Elínborg wieder im Auto saß, erfüllte sie ihr Versprechen und rief bei

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