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Frevelopfer

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Titel: Frevelopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Gewürzen. Möglicherweise ist sie auch in Asien herumgekommen.«
    Die junge Frau schüttelte den Kopf.
    »Ich hätte dir gern weitergeholfen«, sagte sie.
    »Ja, natürlich. Der Mann, der den Topf gekauft hat, der war nicht in Begleitung hier?«
    »Nein. Es war keine junge Frau bei ihm. Ich kann mich an ihn erinnern, weil ich ihm geholfen habe, den Topf ins Auto zu tragen.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Er wollte keine Umstände machen, aber ich habe ihm gesagt, dass es kein Problem sei.«
    »Benötigte er Hilfe?«
    »Ja, er humpelte, weil er irgendwie so ein komisches Bein hatte. Er war sehr freundlich und hat sich sehr nett bei mir bedankt.«

Neunzehn
    Elínborg hatte den Eindruck, dass die Leute ziemlich gut situiert waren. Sie wusste, dass er ausgebildeter Volkswirt und Abteilungsleiter im Landwirtschaftsministerium war. Seine Frau arbeitete in einer Bank. Die beiden besaßen ein Reihenhaus in einem der gefragteren Viertel von Reykjavík, gediegen ausgestattet mit einer Ledergarnitur im Wohnzimmer, einer Esszimmergarnitur aus Eiche, einer neuen Kücheneinrichtung und Parkettboden. Zwei schöne Ölgemälde und verschiedene Grafiken hingen an der Wand, und überall auf Regalen und Tischen waren gerahmte Familienfotos aufgestellt: die Eheleute in unterschiedlichem Alter, die drei Kinder von der Wiege bis zum Abitur. Elínborg registrierte das alles blitzschnell, nachdem der Mann sie hereingebeten hatte. Sie nahmen im Wohnzimmer Platz.
    Elínborg hatte es vorgezogen, allein zu ihm zu gehen, denn sie wollte auf keinen Fall, dass er sich bedrängt fühlte, falls er der gesuchte Mann war. Die Aushilfe in Jóhannas Asien-Shop hatte den Kontrollbeleg der Kreditkarte herausgesucht, mit der er den Tandoori-Topf bezahlt hatte. Sein Name stand in sauberer Schrift auf dem Zettel, kein Gekrakel. Manche unterschrieben nur mit ihren Initialen, und sogar die konnten unleserlich sein. Seine Unterschrift wirkte hingegen akkurat, diszipliniert, vertrauenerweckend.
    Elínborg hatte sich telefonisch mit ihm in Verbindung gesetzt und ein Treffen vereinbart. Zuvor hatte sie mit zwei Männern gesprochen, die genauso hießen wie er, aber keine Ahnung hatten, was die Kriminalpolizei von ihnen wollte. Und dann war sie auf den richtigen Mann gestoßen. Er hatte gefragt, ob er ins Hauptdezernat kommen sollte, aber Elínborg zog es vor, ihm den Heimvorteil zu lassen. Ihr kam es so vor, als sei der Mann erleichtert gewesen. Sie hatte ihm erklärt, dass die Kriminalpolizei im Zusammenhang mit dem Mord im Þingholt-Viertel nach einem bestimmten Zeugen suchen würde.
    »Es wurde ein Mann mit einer Schiene am Bein gesehen, die auf einen Beinbruch oder eine Behinderung hindeutet«, hatte Elínborg gesagt.
    »Und?«
    »Er trug eine Beinschiene. Wir haben versucht, ihn ausfindig zu machen, und würden jetzt gern wissen, ob du der Mann bist, mit dem wir sprechen wollen.«
    Daraufhin herrschte eine Weile Schweigen in der Leitung, doch dann erklärte der Mann, ihre Vermutung sei richtig, er sei zu der besagten Zeit im Þingholt-Viertel unterwegs gewesen.
    »Was … Wie kann ich euch helfen?« Er war sich nicht sicher, wie man jemanden von der Kriminalpolizei anredete, mit so etwas hatte er keine Erfahrung.
    »Wir versuchen, irgendwelche Zeugen zu finden. Es gibt offensichtlich nur ganz wenige«, erwiderte Elínborg. »Ich würde gerne von dir wissen, ob du etwas Ungewöhnliches beobachtet hast, als du da unterwegs warst.«
    »Bitte sehr«, sagte der Mann höflich. »Aber ich weiß nicht, ob ich euch da weiterhelfen kann.«
    »Nein, selbstverständlich nicht, aber das wird sich herausstellen«, sagte Elínborg.
    Und nun saßen sie bei ihm im Wohnzimmer. Seine Frau war noch bei der Arbeit, die Kinder wohnten nicht mehr zu Hause, erklärte er Elínborg, ohne gefragt worden zu sein.
    »Wir führen nur eine ganz normale Befragung durch«, sagte Elínborg. »Du entschuldigst hoffentlich die Störung.«
    »Du hast gesagt, es gäbe nicht viele Zeugen«, sagte der Mann, der Konráð hieß. Er war etwas über sechzig, klein und stämmig gebaut, mit kräftigen Schultern und großen Händen. Sein dichtes, kurz geschnittenes Haar war schon stark ergraut. Er hatte ein ziemlich breites Gesicht und Lachfalten um den Mund. Seine Bewegungen waren langsam, denn er trug eine Beinschiene. Elínborg musste an Petrínas Fantasien denken, als sie die Metallschiene gesehen hatte, die von einem elektromagnetisch aufgeladenen Fenster aus durchaus wie eine Antenne ausgesehen haben

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