Frevelopfer
anlüge?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Elínborg.
»Wenn ich jemals irgendwen mitgenommen habe, dann war das eine ganz große Ausnahme. Möglich, dass jemand mich darum gebeten hat. Ein Lehrer vielleicht. An Schüler kann ich mich nicht erinnern.«
»Das Mädchen, mit dem ich gesprochen habe, hat dich nicht bitten müssen. Du hast sie in Akranes gesehen, hast angehalten und ihr angeboten, sie mitzunehmen. Erinnerst du dich an den Vorfall?«
Eðvarð war rot geworden, und seine Hände, die rastlos an Papieren und cd -Hüllen herumgefummelt hatten, lagen jetzt unbeweglich auf der Tischplatte. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn. Es war heiß in seinem Haus. Elínborg behielt ihr Handy in der Hand.
»Nein«, sagte er. »Irgendjemand hat dir da was vorgelogen.«
»Sie wartete auf den Bus.«
»Ich kann mich nicht an den Vorfall erinnern.«
»Sie sprach sehr nett über dich«, sagte Elínborg. »Du hast sie bei der Kringla abgesetzt. Sie wollte shoppen gehen. Ich sehe keinen Grund, weshalb sie gelogen haben sollte.«
»Ich kann mich nicht daran erinnern.«
»Sie war an deiner Schule.«
Eðvarð antwortete ihr nicht.
»Lilja verschwand an einem Freitag, als du früh in der Schule fertig warst und nach Reykjavík gefahren bist. Soweit ich weiß, war dein Unterricht gegen Mittag zu Ende. Man hat dich damals nicht danach gefragt, aber bist du gleich mittags nach Reykjavík gefahren?«
»Willst du damit etwa andeuten, dass ich sowohl dieses Mädchen als auch Runólfur umgebracht habe? Bist du verrückt? Tickst du nicht richtig?«
»Ich deute gar nichts an«, sagte Elínborg. »Vielleicht beantwortest du ganz einfach meine Frage?«
»Ich weiß nicht, ob ich solche absurden Fragen beantworten muss«, sagte Eðvarð. Es hatte den Anschein, als hätte er sich innerlich einen Ruck gegeben, um zu demonstrieren, dass er sich nichts gefallen lassen wollte.
»Das entscheidest du, aber ich muss diese Fragen stellen. Du kannst sie jetzt beantworten, oder du kannst sie später beantworten. Hast du Lilja an diesem Freitag in Akranes gesehen, bevor du nach Reykjavík zurückgefahren bist?«
»Nein.«
»Hast du ihr angeboten, sie mit in die Stadt zu nehmen?«
»Nein.«
»Ist dir irgendetwas über Liljas Unternehmungen an diesem Freitag bekannt?«
»Nein. Am besten gehst du jetzt. Ich habe dir nichts mehr zu sagen. Ich weiß nicht, weshalb du mich nicht in Ruhe lassen kannst. Ich habe Runólfur gekannt, mehr nicht. Und er war ein guter Freund von mir. Hast du vor, mich zum Schuldigen in all deinen Fällen zu machen?«
»Du hast einen bekannten Dealer aufgesucht und eine Droge für Runólfur gekauft.«
»Und? Bin ich deswegen ein Mörder?«
»Das sind deine Worte.«
»Meine Worte? Das sind nicht meine Worte! Und wieso stehst du überhaupt andauernd bei mir auf der Matte?«
»Ich habe mit keinem Wort angedeutet, dass du ihnen etwas angetan hast«, sagte Elínborg. »Du bringst das selbst ständig zur Sprache. Ich habe dich nur danach gefragt, ob du Lilja an dem Tag, an dem sie verschwunden ist, angeboten hast, sie mit nach Reykjavík zu nehmen, und nach nichts anderem. Du hast ein Auto gehabt, und du bist gependelt. Du kanntest Lilja, sie war deine Schülerin. Findest du diese Fragen unnormal?«
Eðvarð gab keine Antwort darauf.
Elínborg stand auf und steckte ihr Handy in die Manteltasche. Eðvarð würde keine Probleme machen. Die Fragen schienen ihn höchstens ein wenig aus der Bahn geworfen zu haben. Unruhe und Nervosität gehörten allerdings ohnehin schon zu seinem Charakter. Sie war sich unschlüssig, ob er log oder nicht.
»Es kann gut sein, dass sie an dem Tag nach Reykjavík gefahren und dann erst später verschwunden ist«, sagte Elínborg. »Das ist eine Möglichkeit. Ich überlegte lediglich, ob du vielleicht etwas über ihre Unternehmungen wissen könntest. Ich habe in keiner Weise angedeutet, dass du etwas mit ihrem Verschwinden zu tun hattest. Das hast du selbst getan.«
»Du willst mich bloß verunsichern.«
»Du hast Lilja in Naturwissenschaften unterrichtet und gesagt, dass sie keine besonders gute Schülerin war.«
»Ja.«
»Ihre Mutter sagt aber, dass sie in Naturwissenschaften besonders gut gewesen ist. Mathematik war ihr Lieblingsfach.«
»Hat das irgendetwas mit der Sache zu tun?«
»Sie ist dir vielleicht aufgefallen, weil sie eine gute Schülerin war.«
Eðvarð schwieg.
»Aber du möchtest nicht darüber sprechen, um die Aufmerksamkeit nicht darauf zu lenken.«
»Lass mich in
Weitere Kostenlose Bücher