Frevelopfer
versucht, etwas Genießbares und Gesundes zu finden; die Auswahl war äußerst bescheiden gewesen. Sie hatte sich mit einem Sandwich mit Thunfischsalat begnügen müssen. Der Kaffee kam aus einer uralten Kaffeemaschine und war eigentlich ungenießbar.
Sie dachte an Valþór, der ihr vorgeworfen hatte, sie hätte ihre Kinder unterschiedlich behandelt, und gesagt hatte, dass Birkir das die ganze Zeit gespürt hätte. Birkir hatte ihr beim Abschied gesagt, er habe sich bei ihr und Teddi immer wohlgefühlt, aber er wolle jetzt einfach seinen Vater kennenlernen. Als sie ihn danach gefragt hatte, ob das der einzige Grund sei, hatte er das bestätigt. Es hatte ehrlich geklungen, trotzdem war sie aber das Gefühl nicht losgeworden, dass er sie schonen wollte. Birkir war ein stiller und verschlossener Junge und hatte immer wie ein schüchterner Gast bei einem Fest gewirkt, das sein eigenes Leben war. So war er schon gewesen, als er zu ihnen gezogen war. Valþór hatte viel mehr Aufmerksamkeit beansprucht, genau wie Aron, und schließlich kam das einzige Mädchen zur Welt. Theodóra war der Augapfel ihrer Mutter. Hatte Birkir sich zurückgesetzt gefühlt? Über Teddi hatte er sich anscheinend nicht beklagt. Vielleicht war das unter Männern einfach anders; zwischen ihnen brauchte es kein enges Verhältnis zu geben, wenn sie sich nur über Fußball unterhalten konnten.
Elínborg seufzte tief und stieg aus. Es gab wohl keine Antworten auf diese Fragen.
Eðvarð schien sich diesmal nicht über ihren Besuch zu wundern.
»Und was hast du jetzt vergessen?«, fragte er, nachdem er aufgemacht hatte.
»Entschuldige bitte, dass ich dich immer wieder störe«, entgegnete sie. »Dürfte ich vielleicht hereinkommen? Es geht um Runólfur und um verschiedene andere Dinge. Du hast vielleicht gehört, dass wir im Zusammenhang mit dem Mord jemanden festgenommen haben.«
»Ich habe es in den Nachrichten gesehen«, sagte Eðvarð. »Dann ist der Fall doch wohl gelöst?«
»Ja, vermutlich. Es gibt aber noch einige offene Fragen, und ich glaube, dass du mir dabei helfen kannst, sie zu beantworten. Du hast Runólfur am besten gekannt. Wenn wir uns einen Augenblick zusammensetzen könnten?«, fügte sie beharrlich hinzu.
Eðvarð blickte sie an wie einen lästigen Plagegeist, aber schließlich gab er nach, und sie gingen in sein Wohnzimmer. Er nahm einen Papierstapel von einem Stuhl und platzierte ihn auf einem Stapel mit Videos. Es waren lauter alte Spielfilme.
»Wenn du möchtest, kannst du hier Platz nehmen, das kann ich dir wahrscheinlich nicht verweigern. Trotzdem habe ich keine Ahnung, wie ich euch noch weiterhelfen könnte. Ich weiß nichts.«
»Vielen Dank«, sagte Elínborg und setzte sich. »Du weißt, dass wir die Frau gefunden haben, die bei ihm war.«
»Ja, das kam in den Nachrichten. Und dass er sie möglicherweise vergewaltigt hat. Stimmt das?«
»Wusstest du etwas darüber, wie Runólfur in Bezug auf Frauen vorgegangen ist?«, fragte Elínborg, ohne auf Eðvarðs Frage einzugehen.
»Ich habe doch gerade gesagt, ich weiß gar nichts«, sagte Eðvarð, der sich keine Mühe gab, seinen Unmut über Elínborgs Besuch zu verbergen. »Ich weiß nicht, weshalb du dauernd hier aufkreuzt.«
»Mit Vorgehensweise meine ich seine Methoden im Hinblick auf Frauen. Dass er ihnen zuerst Drogen eingetrichtert und sich anschließend ihren Zustand zunutze gemacht hat.«
»Ich hatte keine Ahnung, was er zu Hause bei sich machte.«
»Du hast ausgesagt, er hätte Schlafprobleme gehabt und deswegen Rohypnol gebraucht und dass er es sich nicht vom Arzt verschreiben lassen wollte, weil dieses Mittel in Verruf geraten ist. Du hast ihm zu dieser Droge verholfen. Um ganz ehrlich zu sein, ich bin der Meinung, dass du die Verbindung zwischen Runólfur und dir keineswegs hinreichend erklärt hast. Begreifst du, was ich meine?«
»Ich habe nicht gewusst, dass er Frauen vergewaltigt hat.«
»Du hast einfach alles geglaubt, was er sagte?«
»Ich wusste doch nicht, dass er log.«
»Weißt du von anderen Opfern?«
»Ich?! Ich sage dir doch, dass ich nicht mehr weiß.«
»Hat er irgendwann einmal über andere Opfer gesprochen, über andere Frauen, die er kennengelernt hatte, Frauen, die mit zu ihm nach Hause gekommen waren?«
»Nein.«
»Wie oft hast du Rohypnol für ihn gekauft?«
»Nur dieses eine Mal.«
»Hast du es selbst auch zu dubiosen Zwecken verwendet?«
Eðvarð starrte sie an.
»Was meinst du damit?«, fragte er.
»Habt ihr zusammen
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