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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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seinen Kopf. Ein wirrer Schein tanzte phantastisch an den Felsen.
    »Noch hast du die Wahl! Ohne deinen Willen -- so verlangt es das Gesetz -- sollst du nicht in unseren Kreis treten. Bist du aber aufgenommen, so darfst du nicht mehr von uns weichen. Denk an die Nacht und den Tod!«
    »Ihr Narren«, lachte Friedemann, »die ihr mir jetzt vom freien Willen redet! Beraubt, in der Nacht, in einer Einöde wollt ihr mich noch fragen, ob ich mit euch gehen will? -- Vorwärts! Ich werfe mein Dasein hinter mich! Nur weiter, immer weiter, desto eher ist's aus!«
    Da trat Towadei an seine Seite: »Ich bin bei dir! Solange meine Hand in deiner liegt, bist du nicht verlassen!«
    Vor ihnen hergehend, stieß Tzoukel plötzlich einen mehrteiligen Schrei aus, ähnlich dem Beutegeheul des Wolfes, und weit aus der Ferne antwortete ein gleicher Ruf.
    Aus der Schlucht führte ein Hohlweg jäh in die Tiefe hinab. Unten auf dem Grunde zitterte ein Licht wie ein Leuchtkäfer hin und her. Bald hatten sie es erreicht. Es war ein kleines Feuer in einer Felskluft, um das etwa zehn bis zwölf Männer lagerten; beim Nahen der Kommenden erhoben sie sich. Alle waren bewaffnet, und die nahen Schlachtfelder schienen einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Garderobe geliefert zu haben. Ein riesiger Kerl, dessen schmutzverkleistertes Haar wie ein Rindendach auf seinem Kopfe saß, schritt gravitätisch auf sie zu und verbeugte sich tief vor dem Alten, indem er in orientalischer Weise die Hände über der Brust kreuzte.
    »Kommt ans Feuer!« sagte der Dadi. -- Der mit dem Haardach, Guru gerufen, nötigte Friedemann zum Sitzen und reichte ihm Brot und Speck, während ihm von der anderen Seite Branntwein angeboten wurde, um seine starren Glieder zu erwärmen. Der Hunger half ihm bald über Reinlichkeitsbedenken hinweg, und er aß tapfer.
    »Willst du nun bei uns bleiben, mein Sohn?« fragte ihn Guru.
    »Ich habe keine andere Wahl mehr!«
    »Das ist gut! Und nun höre: du mußt uns jetzt alles geben, was du hast!«
    Friedemann sprang auf. Towadei und seine anderen Reisegefährten hatten sich entfernt; er war allein. Die Rotte umringte ihn. »Alles, was ich habe? Ich habe ja nichts mehr!«
    »Deine Kleider! Alles, bis aufs Fleisch! Los, 'runter damit, oder, beim Teufel, wir schlagen dich tot!«
    Friedemann wollte sich zur Wehr setzen, aber die Vernunft siegte; er begann sich zu entkleiden. »Hört, ich will euch alles geben, aber die Violine und diese Tasche nicht! Es sind ein paar Andenken drin, die lasse ich nur mit meinem Leben!«
    »Zeig her, was es ist! Ist's Gold? Wir müssen alles wissen!«
    »Nein! Es ist vollkommen wertlos für euch. Nur der Towadei zeige ich's oder dem Dadi!«
    »Gut, die Violine ist dein«, antwortete Guru nach einem Blick des Einverständnisses mit den anderen, »die Tasche aber wirst du dem Dadi zeigen! Solange behalte sie.«
    Friedemann, der sich des Restes seiner Kleider entledigt hatte, hüllte sich in ein paar Lumpen, die man ihm hinwarf, und kroch in den dunkelsten Winkel. Seine Habseligkeiten wurden sofort unter die Gesellschaft verteilt. Es war bitterkalt, und Friedemann fror jämmerlich; trotzdem fiel er in einen kurzen Schlummer. Laute Stimmen weckten ihn. Mehrere Leute, die er vorher noch nicht bemerkt hatte, waren hinzugekommen; Hanick, ein älterer Mann, brachte ihm einen Schafspelz, der zwar schmutzig war, aber warm hielt, ein Fuhrmannshemd, eine Tuchhose und eine Pferdedecke. Als er in diese zunftgemäßen Gewänder geschlüpft war, bedeutete ihm Hanick, ihm zu folgen. Nach einer guten Strecke, die sie durch die Steine forttappen mußten, wandten sie sich in eine Seitenspalte und traten in eine Höhle, in deren Hintergrund ein großes Feuer knisterte. Nahebei lag ein Weib mit zwei Kindern unter einer Decke, unweit ein junger Mann, der schlaftrunken sein Haupt hob; ein großer Hund fletschte die Zähne, kuschte aber sofort, als der Alte mit ihm sprach. Dieser warf sich, nachdem er auch seinem Begleiter ein Bund Stroh angewiesen hatte, ohne weitere Umstände im nächsten Winkel nieder.
    Durch eine breite Bergspalte sah Friedemann in den besternten Nachtimmel, und sein Herz wurde schwer. Wie dünner Nebel zog es durch die Luft, Stimmen der Kindheit hallten ihm sehnsüchtige Weisen ins Ohr, und dumpf wie Orgelton umwogte ihn das alte Lied: »Willst du dein Herz mir schenken?« ...
    Da huschte eine Gestalt herein in weiter, mantelartiger Verhüllung. Sie kauerte nieder zu seinem Haupt und zog es leise an sich: »Nun

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