Friedemann Bach
ist!«
»Mädchen, ich kann nicht! Wo du die Macht über mich her hast, ich weiß es nicht, aber du übst einen furchtbaren Zwang auf mich aus. Ich fürchte mich vor dir! O, mich haben Frauen schon elend gemacht, Towadei! -- Geh zu deinem Vater!«
Towadei trat zu ihm hin, faßte seine Hand und sah ihn schmerzbewegt an: »Gut, du willst es so! Dein Auge soll mich nicht mehr sehn, es sei denn, du rufst mich im Herzen. Eins nur sage ich dir: so gewiß du verderben mußt ohne mich, so gewiß mein Volk elend ist, so gewiß hättest du bei uns eine heilige Freistatt gefunden! -- Du fürchtest dich vor mir? Weißt du, weshalb? Weil dein Verstand sich vor dem sträubt, was er nicht weiß! Ich stehe in der Hand Abaridschedis, des Anfanglosen, des dreieinigen Gottes. Von ihm und seiner Liebe habe ich das Erkennen, mit dem unser Volk gesegnet ist, -- dem einzigen, das wir haben. -- O komm, Lieber!«
»Laß mich! Laß mich, wenn du ein fühlendes Herz hast! Elend, wie ich bin, ohne Hoffnungen diesseits und jenseits, beschwöre ich dich, laß mir einen Augenblick Ruhe, sonst werde ich wieder wahnsinnig!«
»Ich werde auf dich warten!« sagte Towadei, und nach einer Weile, als sie den Kampf in seinem Innern sah: »Du hast keinen mehr, niemand als mich!« Ihr großes Auge ruhte wissend auf seinen bleichen Zügen.
Langsam hob er den finsteren Blick. Er sah das Mädchen, verlumpt, aber verführerisch schön, mit bittender, zärtlicher Miene vor sich stehen.
»Ich will gehen -- wohin du Lust hast!« stöhnte Friedemann.
Ein heißer Kuß brannte auf seinen Lippen. Dann zog sie ihn eilends weg, den anderen nach. Dicht bei Cunnersdorf holten sie die Gefährten ein. Vereint wanderten sie durch das Örtchen, um jenseits, in einem Gebüsch gelagert, einen kurzen Imbiß und einen Schluck Branntwein zu sich zu nehmen. Friedemann hatte seit dem Mittag des vorigen Tages nichts über die Lippen gebracht. Wohlig stieg ihm der Fusel in den Kopf und lullte sein wundes Herz, seine trüben Gedanken, das nagende Weh um verlorene Erdenfreuden in Vergessenheit.
Sie zogen weiter und erreichten, sich zwischen Klein-Gießhübel und Schöna haltend, am Zirkelstein vorbei die Elbe. Die Fähre, die nach dem jenseitigen Herrnskretschen hinüberfuhr, war verschwunden, und Tzoukel nahm kurzerhand von einem Fischerhause einen Kahn weg und ruderte die Gesellschaft ans andere Ufer. Als alle ausgestiegen waren, stieß Friedemann den Nachen in den Strom zurück. Er blickte ihm nach und lachte.
Nach einer Strecke Wegs fing Towadei an, eins jener einfachen, schwermütigen Lieder, die die Zigeuner so lieben, halblaut vor sich hinzusingen. »Die Gefahr ist überstanden«, sagte sie zu dem Mann an ihrer Seite, »bis hierher sind die Preußen noch nicht gekommen, und wenn die Sonne untergeht, werden wir in den ›Steinen‹ sein. Zu Hause!«
Auch der Dadi, der Friedemann bisher nur finstere Blicke gegönnt hatte, wurde freundlicher und richtete einige Fragen an ihn. Er erhielt jedoch zuerst keine, dann die mürrische Antwort: »Ihr habt mich nichts zu fragen! Ich bin ein Vagabund, der nichts ist und nichts hat. Nennt mich Friedemann, dann ist's recht, alles andere schert Euch den Teufel!«
Sie waren mittlerweile ein gutes Stück in dem Gewirr der wildzerklüfteten Sandsteinfelsen, die in gewaltiger, bizarrer Mächtigkeit die Gegend beherrschen, vorgedrungen und bogen in eine schmale Schlucht ein, deren vielfach verzweigte Gänge sich zwischen dem Prebischtor und den Karlsteinen wie in einem Irrgarten verloren. Der Dadi hielt Friedemann am Arm zurück: »Höre! Du weißt selbst am besten, daß du in der Welt nichts mehr hast. Du gehörst unter die große Zahl derer, die das Unglück ausgestoßen hat aus der bürgerlichen Gesellschaft. Wo du jetzt hinkommst, findest du Leute, denen es geht wie dir. Wenn du vernünftig bist, wird dir's bei uns gefallen. Es soll dir an nichts fehlen, du darfst tun, was dir behagt, und hast du keine Lust zum Arbeiten, so faulenze! Eins nur hast du zu beobachten: Du mußt dich unseren Gesetzen fügen!«
»Wenn ich will!«
»Wenn du nicht willst, wird man's dich lehren! Mit der Nacht und dem Tode! -- Hast du einen Begriff von der Nacht und dem Tode?«
Friedemann war still. Ihn fröstelte.
»Mach Licht, Tzoukel!« befahl der Alte.
Der Gerufene schlug Feuer, hielt einen Schwefelfaden an den Schwamm und entzündete an diesem eine kurze Harzfackel, die er aus einer Steinspalte hervorholte. Der Dadi nahm sie und hielt sie hoch über
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