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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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mischen gewußt hatte. Das hätte August den Starken aber noch keineswegs bewogen, ihn an Hoymbs Stelle zu setzen, wenn nicht die Nationalitätenfrage hierbei eine große Rolle gespielt hätte. Dem König war alles daran gelegen, nicht nur den fast verlorenen Einfluß, sondern die absolute Gewalt über Polen zu erlangen, -- und da Sulkowsky Pole und mit den gewichtigsten Teil des Reichsadels verschwägert oder alliiert war, so machte August ihn zu seinem Minister, um an ihm eine Brücke für seine Pläne zu haben. Sulkowsky wußte das alles sehr wohl, und weil der König durch diese Kombination in eine eigene Lage zu ihm gekommen war und manches übersehen mußte, was er sonst nicht geduldet hätte, unterließ jener nicht, die Zeit zu nützen und sich von der Gewalt soviel als möglich anzueignen. August aber hatte die Sulkowskys und die polnische Adelskoterie höchst nötig; denn schon munkelte man in Polen wiederum von Stanislaus Leszczynski, der in Ludwig XV. einen mächtigen Schwiegersohn besaß, auf dessen Hilfe er wohl bauen mochte. Die Feinde Augusts in Polen steckten bereits die Köpfe zusammen, und Sulkowsky säumte nicht, die Gefahr für August um so dringender darzustellen, als er sich ihm dadurch um so unentbehrlicher machte.
    Was Brühl dabei empfinden mochte, daß Sulkowsky so rasch emporkam und er sich von seinem ehemaligen Genossen nun von oben herab mußte ansehen lassen, war allen übrigen bei Hofe um so mehr ein Rätsel, als man wußte, daß Brühl die schöne, junge Kollowrat leidenschaftlich liebte und Sulkowsky auch in dieser Beziehung sein glücklicher Nebenbuhler werden zu wollen schien. Schien! Denn wenn ihn die reizende Antonie auch begünstigte, während sie Brühl fast mied, konnte man doch nicht behaupten, daß bis jetzt ein ernsteres Verhältnis zwischen beiden bestand.
    Je anmaßender Sulkowsky nun in seiner Machtfülle sich gegen Brühl und die meisten anderen benahm, je näher er selbst der Eigenliebe des Königs trat, je freundlicher Gräfin Kollowrat zu dem Polen, je kälter sie zu Brühl wurde, um so ruhiger, dienstwilliger und freundlicher wurde dieser zu der stolzen Dame seines Herzens und zu seinem Gegner, der ihn mit der ausgesuchtesten Impertinenz behandelte. -- Sulkowsky war impertinent zu Brühl; nicht nur, weil er häßlich wie die Nacht, Brühl aber hübsch war, sondern auch aus jenem unbehaglichen Gefühl heraus, welches ihm zuflüsterte, daß der ärgste Feind gewöhnlich der freundlichste zu sein pflegt.
    So war das Jahr 1732 zu Ende gegangen und hatte zu seinem Schluß die Befürchtungen über Leszczynskis Usurpation, wie man's in Dresden nannte, vermehrt; August entschloß sich daher, trotz des Winters und obwohl eine alte Wunde an seinem Fuß wieder aufgebrochen war, nochmals in Person nach Warschau zu gehen, um die Keime einer etwaigen Insurrektion zu ersticken, die Schwankenden zu befestigen und die Gefährlichen zu neutralisieren. Die Reise war also eine beschlossene Sache; es handelte sich nur darum, wer den König begleiten und wer zurückbleiben sollte, ein Moment wichtiger Entscheidung für Brühl wie für Sulkowsky. Der Kurprinz hatte sich nur wenig blicken lassen; er kam mit seiner jungen Gemahlin sehr selten von seinem Jagdschlosse Hubertusburg herein, weil die Mißstimmung zwischen Vater und Sohn noch fortdauerte: genährt bei dem einen durch die Erinnerungen an das Mätressentum und an das tränenvolle Ende Eberhardines, erzeugt bei dem andern durch den überspitzten Katholizismus Josephas. -- Wem also wird der König die Gewalt interimistisch anvertrauen? Wen wird er als Unterhändler und Vertrauten mit sich nehmen? Das war die Tagesfrage, nach deren heutiger Lösung in einer Woche zur Reise geschritten werden sollte.
    Der Hof war bei der Gräfin Morsinska, Augusts Tochter von der Cosel, die er namentlich in den letzten Jahren gern um sich sah, versammelt.
    Neben der strahlenden Gräfin saß auf einer Ottomane, den Teetisch vor sich, das Juwel des Hofes, die schöne Kollowrat. Sulkowsky stand vor ihnen; er hatte die Hand auf den ledernen Sessel des Königs gelegt und unterhielt die versammelten Damen, um seine innere Unruhe zu verbergen. Der kleine Salon, in dem sich die Gesellschaft befand, hatte statt der Fenster zwei breite Glastüren, die in ein großes Glashaus, eine Art Wintergarten führten, der, künstlich erwärmt, allerlei Spezies seltener Gewächse beherbergte; eine aus Zeder und Myrte gebildete Laube bot sich als ein Asyl dar, das ebenso zur

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