Friedemann Bach
beide noch jung. -- Drei Jahre!«
»Ich warte, lieber Brühl, und ... schweige.«
»Nehmen Sie meinen Dank für diese Gnade!« Und er drückte einen glühenden Kuß auf die Hand der Hinwegeilenden. -- --
Es war halb elf Uhr abends, als Brühl seine Wohnung betrat. In seinem Arbeitszimmer brannte Licht; sein Sekretär war emsig bei der Arbeit und empfing ihn mit einer kurzen Verbeugung.
»Lassen Sie jetzt die Arbeit, Siepmann, ich habe mit Ihnen zu reden.«
Der Sekretär legte die Feder hin, hob seine kleine, krumme Gestalt vom Stuhle und richtete sein schelmisches Auge auf seinen Herrn.
»Siepmann, ich stelle Ihnen zwei Fragen! Was wollen Sie: wollen Sie ein Mann von Vermögen und Einfluß werden oder von hier nach dem Sonnenstein gehen? Zwei Unteroffiziere warten unten.«
»Ich werde mir erlauben, das erste zu wählen.«
»Unter jeder Bedingung?«
»Unter jeder!«
»Das freut mich, Siepmann! Ende dieser Woche gehe ich nach Warschau. Sie müssen vier Tage vor mir dort sein!«
»Zu Befehl!«
»Sind die geheimen Notizen für mich geschlossen, ist die Adresse in Petersburg erprobt?«
»Erprobt! Diese Nacht schließe ich die Notizen, übermorgen reise ich.«
»Brav! Setzen Sie sich, ich werde Ihnen Empfehlungen diktieren, die Graf Lubomirsky unterzeichnen wird. Sie sind nämlich von Lubomirsky gesandt, verstanden?!«
»Ich bin von Lubomirsky gesandt! -- Und wenn ich in eine schiefe Lage komme?«
»Ich bin des Königs Kammerherr, Siepmann!«
»Gewiß!«
»Hier sind dreißig Dukaten auf Abschlag. Wenn ich Graf Brühl heißen werde, verdoppele ich Ihre Gage.«
»Und wenn Sie Minister sind, Herr Graf?«
»Werden Sie von Siepmann heißen und ein Staatsamt haben!«
»Diktieren Sie, Exzellenz!« Und leuchtenden Auges, wie ein Geier, stürzte sich der Kleine auf die Arbeit.
Nach zwei Tagen reiste Siepmann. Vier Tage später, an einem bitterkalten Morgen, standen die königlichen Reisewagen unter dem Portal.
Mehrere Equipagen mit polnischen Edelleuten und einigen Offizieren waren schon voraus, drei Regimenter hatten sich Bewegung gesetzt, die Packwagen mit Köchen, Verwaltern, Lakaien folgten. Der König nahm von dem Erbprinzen und dem Hofstaat in seinem Zimmer Abschied.
»Gott erhalte Euer Majestät!« sagte die Kurprinzessin, die ungewöhnlich bewegt war. Der König küßte ihr die Stirn und wollte gehen. Plötzlich wandte er sich noch einmal zurück, preßte seinen Sohn heftig an sich und flüsterte ihm ins Ohr: »August, denk immer in Liebe deines Vaters; vergiß auch nicht meine anderen Kinder!« Hastig schritt er hinaus.
»Nach Warschau denn!« sagte Sulkowsky und blickte Gräfin Kollowrat glühend an. -- »Nach Warschau!« flüsterte Brühl kaum hörbar.
Einen Augenblick später, und die Wagen rollten von dannen.
Kapitel V
Der König war in Warschau, -- aber krank. Die höchst anstrengende Reise im tiefsten Winter hatte seinen Fuß verschlimmert und ihm eine heftige Entzündung der Wunde zugezogen.
Die sächsischen Regimenter garnisonierten in der Stadt, die polnische Leibwache, die sofort doppelte Löhnung erhielt und deren Offiziere fast alle dem König treu ergeben waren, versah den Schloßdienst. Die Edelleute, die zu Leszczynski hielten, verließen schon nach wenigen Tagen die Stadt oder verhielten sich wenigstens abwartend, während diejenigen, die vom Hofe zu Dresden gekommen waren, schon um ihres eignen Vorteils willen nicht verfehlten, für die Sache Augusts zu wirken. Der König war erstaunt, bei der Mehrzahl der angesehensten Notabeln eine Bereitwilligkeit zu finden, die er bisher von dieser Seite nicht gewohnt war. Allerdings galt Lubomirsky unter seinen Landsleuten viel mehr als Sulkowsky. Dieser war, da Brühl anscheinend doch nicht als besonderer Vertrauter Augusts für diplomatische Missionen ausersehen, sondern lediglich zu seiner Pflege erkoren war, wieder in den Vordergrund getreten und hielt die Geschäfte allein in seiner Hand. Wie mußte er daher nicht erstaunen, sich von dem größten Teil der Warschauer Edelleute kühl behandelt zu sehen, und gerade von denen, die des Königs wärmste Anhänger zu sein schienen. Lubomirsky indessen war trotz seiner Jugend allgemein beliebt und viel gesucht.
»Sehen Sie wohl, Graf, wie unsere Maßnahmen wirken?« sagte einmal Brühl zu ihm. »Ihre Briefe halten Sulkowsky in Schach, weil jeder der Ansicht ist, Sulkowsky arbeite nur für sich und nicht für Polen, er wolle die freie Konstitution hintertreiben, zu der ich dem König
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