Friedemann Bach
Sebastian seinen Sohn, küßte ihn und legte seine Hand auf die glühende Stirne Friedemanns: »Gott, Herr der Welten, schütze mir diesen meinen Liebling! Laß ihm zuteil werden, was mir nicht beschieden war! Du weißt's, wie sehr ich ihn lieb hab'!«
Friedemanns Augen quollen über, und ein leises Bangen in seinem Herzen mahnte ihn daran, daß er bald allein, ohne den Vater, seinen Weg durch die Welt gehen müsse.
»Friedemann, das mußt du mir heilig und fest versprechen, daß du dich nie irre machen läßt von der Lobhudelei der Vornehmen und in den vermaledeiten Opernsingsang und die Pinseleien verfällst. Halt immerdar in deinem Herzen fest, daß du ein Diener Gottes sein sollst, weil du's sein kannst, daß die Orgel deine Stärke, die Fuge deine Hauptkraft und die Anbetung Gottes in Harmonien deine schönste und einzige Arbeit sein muß. Laß dich vom Flitter nie verführen, Friedemann, daß du nicht unglücklich wirst!«
»Nie, Vater, nie! Ich bin dein Sohn und werde dir keine Schande machen!«
Sie reichten sich die Hände und gingen still weiter. Wie ein wehmütiges Seufzen zog's durch die ruhevolle Sternennacht
IKapitel VIII
Solange Graf Sulkowsky noch hoffen durfte, Antonie von Kollowrat für sich zu erringen, war er zu mancherlei Rücksichtnahme in politischen Dingen genötigt; jetzt kannte er nach dieser Seite hin keine Grenze, keine Schonung mehr, und sein Haß fiel nicht allein auf Brühl und Antonie, sondern auch -- und vornehmlich -- auf die Königin. Sein Bestreben ging ganz offenkundig darauf hinaus, Josepha und ihrem Anhang auch den geringsten Einfluß abzuschneiden.
Blind in seinen Haßgefühlen, bar der feineren, ewig lächelnden Kunst der Intrige, warf er in einem ungeschickten Augenblick mit plumpen Händen der Königin den Fehdehandschuh hin, indem er August veranlaßte, die katholische Geistlichkeit zu beschränken.
Die Königin war darüber außer sich, Pater Quarini und die Jesuiten spien Feuer und Flammen, Brühl aber lachte; er sann bereits über einen Gegenschlag.
Wie, wenn man nun also den sehnlichen Wunsch Wiens nach dem Besitz gewisser geheimer Dokumente erfüllte?
August der Starke hatte anläßlich der Vermählung des Kurprinzen mit Josepha einen geheimen Verteilungsplan für die Hinterlassenschaft Kaiser Karls VI. gemacht; zwar war der Plan durch die Anerkennung der pragmatischen Sanktion hinfällig geworden, aber Karl wußte nur zu gut, daß die heiligsten Papierversicherungen in der Geschichte der Kabinette oft genug gar nicht, die geheimen Bündnisse aber gewöhnlich besser gehalten werden als die öffentlichen. Dieses Teilungsvorhaben nun abschriftlich zu erhalten, war des Kaisers steter Gedanke, und da das Kabinett zu Wien von Brühls Plänen und ehrgeizigem Machtstreben Wind bekommen hatte, übernahm es eine vertraute, sehr hohe Person, ihn zur Aushändigung dieses Dokumentes zu veranlassen. Und nun war Fürst Lichtenstein am Hofe zu Dresden erschienen, um mit Brühl zu verhandeln ...
Brühl fühlte wohl, daß es eine Infamie sei, das Geheimnis seines Königs zu verraten; er wußte, daß er sich durch solchen Schritt eine lebenslängliche Fessel schmiedete, daß er dem Wiener Hofe eine furchtbare Waffe gegen sich selber in die Hand spielte. Aber er traute sich auch Klugheit genug zu, um jedem Schlag zu begegnen, wenn er erst allein die Macht in Händen hätte. Und die Königin, und schließlich auch seine Gemahlin ...
Er nickte nachdenklich vor sich hin. Dann ließ er Wien seine Einwilligung wissen. Unter einer Bedingung: -- daß Sulkowsky falle!
Fürst Lichtenstein versicherte weitgehendste verbindliche Hilfeleistung seines Kabinetts zum Sturze Sulkowskys. Nun wurde sofort eine geheime Chiffreschrift ausgearbeitet und ein Beamter des Staatsarchivs, der nachmalige Kriegsrat Karbe, der einen luxuriösen Hausstand, viele Schulden und ein weites Gewissen hatte, bewogen, die Urkunde aus dem Archiv zu entwenden und an einem bestimmten Abend in die Mansarde Siepmanns zu bringen. Eine Summe Geldes und die schriftliche Zusicherung einer Standeserhöhung waren der Lohn.
Siepmann übersetzte während der verabredeten Nacht das Schriftstück, das Karbe beim ersten Morgengrauen wieder abholte und unbemerkt an seinen früheren Platz legte, in Chiffresprache und brachte es in Form einer Denkschrift persönlich zu Brühl. Dieser fuhr damit sogleich zum Fürsten, las ihm die Abschrift des Dokumentes vor, verbrannte sie und legte die Chiffreübersetzung in seine Hände.
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