Friedemann Bach
dieser Verschwörung machen, Exzellenz!«
»Ein prächtiges Geschäft?«
»Natürlich! Niemand außer uns weiß etwas von dem geplanten Attentat. Wird es sich nicht nützlich anlassen, daß wir wachsamer waren als Premier Sulkowsky?«
»Ihr seid ein Edelstein, Siepmann!« -- und mit fieberhafter Hast schrieb Brühl die Vollmachten.
»Einen Edelstein, Exzellenz, faßt man in Gold. Ich hoffe, daß man mich befördern und mir die teilweise Leitung des Prozesses anvertrauen wird. Und dann den versprochenen Adelstitel!«
»Alles, Siepmann, alles! Eilen Sie!«
»Bereiten Sie Seine Majestät vor, Exzellenz!«
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Die Schloßkirche war gedrängt voll. In einer Nebenstraße standen zwei Kompanien sächsischer Garden, russisches Militär bildete am Portal Spalier. Durch die Seitentür drängte sich das Publikum. Kopf an Kopf harrte drinnen die lautlose Menge, und nur der mittlere Hauptgang war durch die polnische Krongarde freigemacht. Um eine Säule war eine Gruppe von etwa zwanzig polnischen Edelleuten geschart, mitten unter ihnen Siepmann. Keiner sprach ein Wort. Sie gaben sich den Anschein, mit einer aufmerksamen, aber stillen Freude des Beginns der Zeremonien zu harren, wenngleich die allzu angespannten und bleichen Gesichter schlecht mit dem allgemeinen Festjubel übereinstimmen wollten. Besonders einer, der junge Ledekusky, zuckte bald in einer nervösen Überreiztheit zusammen, bald verlor er sich mit seinen Blicken in irgendwelchen Fernen. Dachte er in diesen Sekunden des Entrücktseins an seinen Vater, der für Polens Sache in Ketten umgekommen und verdorben war, träumte er von einer neuen Freiheit seines Vaterlandes unter dem glückrauschenden Banner einer sieghaften Demokratie, -- krümmte er im Geiste langsam, ganz langsam, ohne Zittern und Zagen, den schießgewohnten Zeigefinger? ...
Die Glocken sangen ihr Festlied, die Kanonen dröhnten hinein, jubelnd brauste die Orgel auf: der König kam ... Das Volk reckte die Köpfe und wogte hin und her. Ledekusky schob sich durch die Schar seiner Genossen in die vorderste Reihe. Leise fuhr seine Hand nach der Brust und schob sich unter den alten, mit Schnüren besetzten Pelzrock.
In dem gleichen Augenblick entstand von der Säule her ein Gedränge, das ihn aus seiner Stellung brachte, und als er sich nach der Ursache umwenden wollte, hatten ihn schon Siepmann und zwei Sergeanten fest umklammert, während der dritte ihm Brust und Arme mit vielfachen Stricken umwand. Umsonst suchte der Überraschte loszukommen, umsonst die Hand, die die Pistole hielt, freizumachen. Verzweifelt sah er sich um. Er sah in Gesichter, die die gleiche Verzweiflung ausdrückten: alle seine Genossen befanden sich unter den Händen der Soldaten. Unter Kolbenstößen nach dem Seitenschiff gedrängt, wurden sie aus der Kirche geführt; der letzte, von Siepmann selbst bewacht, war Ledekusky.
Da lohte noch einmal ein helles Glührot des Jugendmutes über das zuckende Antlitz des Todgeweihten. Noch hielt er die Pistole in seinen gefesselten Händen. Er zerrte und schob, er ruckte und dehnte so lange, bis die Mündung der Waffe nach seiner Brust zeigte. »Leb wohl, mein Polen!« hauchte er, und mitten ins Herz traf sein Schuß.
Der König, der mittlerweile zu dem ihm vorbehaltenen Sitz in der Kirche geleitet worden war, erbleichte und sah Brühl fragend an. Der neigte den Kopf und deutete nach dem Pfeiler. Dort stand Siepmann, verbeugte sich lächelnd und machte eine bezeichnende Geste nach der Tür, durch die die Gefangenen abgeführt worden waren. Ins Gesicht des Königs kehrte die Farbe wieder.
Abends erschien Siepmann auf dem Kronballe und wurde von Brühl mit »Geheimer Hof- und Ministerialrat« angeredet.
Das Benehmen des Königs machte es im übrigen offenbar, daß Brühl durch das verhinderte Attentat in seiner Gunst gestiegen war; nichtsdestoweniger schien es nach wie vor Augusts fester Entschluß zu sein, Sulkowsky unverändert in seinen Rechten zu belassen, beide Gegner zu halten, um ihre Anmaßung zu neutralisieren. Herzlich froh war er, das Ereignis zum Anlaß nehmen zu können, aus dem nie sehr geliebten Warschau bald wieder wegzukommen; er kürzte trotz aller Ergebenheitsversicherungen des Adels die Festlichkeiten möglichst ab, war aber erst ganz beruhigt und heiter, als er die Türme seines lieben Dresdens wieder am Horizont emporsteigen sah.
Indessen nahm die Untersuchung des Komplotts ihren Anfang. Siepmann wurde Direktor einer geheimen Kommission zur Eröffnung der
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