Friedemann Bach
Briefe und bewährte wiederum sein Talent in Erfindung einer sicheren Methode, sich ohne Hinterlassung irgendwelcher Spuren in den Besitz des Inhalts aller Korrespondenzen zu setzen. Trotzdem beschränkte sich die wirklich erwiesene Teilnahme am Komplott auf etwa zwanzig junge Leute, die ihr patriotisches Unsterblichkeitsfieber mit lebenslänglicher Festung und Kettenstrafe, drei davon mit dem Tode, büßen mußten. August aber vergaß schon beim nächsten Karneval unter Oper und Schäferspielen die Sorge und Angst, die ihm die neue Königswürde bereitet hatte. Siepmann zeigte seinem Chef an, daß binnen dreier Wochen alles in Warschau beendet sei und er zurückkommen könne. Und somit bewegte sich nun das Leben wieder im gewöhnlichen Geleise.
Sulkowsky und Brühl, die beiden Gegner und Rivalen, gingen eine stille Waffenruhe ein; aber sie umlauerten sich weiterhin, und jeder wartete nur auf die günstigste Gelegenheit, um dem anderen beizukommen.
Geduld war indessen eine Tugend, mit der Antonie Gräfin von Brühl in nicht allzu reichem Maße ausgestattet war, und die Folter des ewigen Abwartens konnte sie nicht lange ertragen; Ehrgeiz und die Rache an Sulkowsky quälten sie bis zur Raserei. Sie konnte die Wunde nicht verschmerzen, die der Pole ihrer Eigenliebe, ihrem Stolze geschlagen, und kein Mittel schien ihr zu schlimm, kein Wagnis zu kühn, um über den Gegner zu triumphieren. Die Macht beider Parteien war jedoch gleich groß; auf dem gewöhnlichen Wege schien nichts mehr zu verfangen. Es mußte zu etwas Außerordentlichem geschritten werden, zu einem »Coup«, bei dem entweder alles zu gewinnen oder alles zu verlieren war. Bei einem solchen Wagestück den Gemahl zu treiben, war nun, wo das langweilige Einerlei des Hoflebens doppelt bleiern auf ihr lag, ihr einziger Gedanke. -- Sie hatte ihren Angriffsplan durchdacht und ging zielbewußt zu Werke. Nicht damit begann sie, Brühl durch Kälte abzustoßen oder stutzig zu machen, das wäre ein viel zu direktes Mittel gewesen, -- sie verfuhr heimlicher und sicherer.
Antonie von Brühl war nicht über mittlere Frauengröße, aber üppig; sie hatte schwellende Formen, einen zarten, weißen Teint, dunkles Haar, schwarze, feurige Augen und ein Profil, das zwar nicht majestätisch, aber voll reizender Linien und Flächen war, die einen ebenso sinnlichen wie geistigen Eindruck hervorriefen. Sie konnte überaus temperamentvoll sein und wiederum höchst elegisch, sie besaß die Kunst, mit einem Blick Unnennbares zu sagen und mit zwei Worten eine artige Anzüglichkeit in eine Harmlosigkeit zu kleiden.
Sie begann, wie sie sich vorgenommen hatte, ihrem Manne gegenüber eine stille Melancholie zu heucheln. Sie tat, als wenn sie ihn liebe, aber mit jener Passivität, die nimmt und nicht gibt. Es schien, als habe sie nach und nach alle Lebenslust und Entschlußkraft verloren, und kein Geschenk des Gatten konnte sie erfreuen, keine Bitte ihr das Geheimnis dessen entreißen, was sie so verwandelt hatte. »Mein Gott, ich liebe Sie ja, Heinrich«, sagte sie dann etwas matt, aber so süß und weich zu ihm, daß er verliebter wurde denn je.
Oft aber, wenn er von dem stolzen Glücke sprach, als alleiniger Minister Land und Leute zu beherrschen, erglühte das schöne Weib in hellem Entzücken, alle Quellen des Liebreizes und einer verführerischen Zärtlichkeit brachen mit solcher Leidenschaftlichkeit in ihr auf, daß Brühl davor ins Knie sank und sich eingestehen mußte, daß Antonie doch noch heißer, noch ganz anders lieben könne, als sie ihn je geliebt. Hinwiederum wußte sie diese enthusiastischen Augenblicke immer seltener, das Sentiment immer alltäglicher zu machen, daß Brühl, trotz seiner blinden Liebe, bald den Abstand von einst und jetzt merken mußte. Anfangs glaubte er, Antonie sei ihm heimlich untreu oder habe zumindest ihre Neigung im stillen einem andern zugewandt; aber er sah schnell seinen Irrtum ein und kam sich ob der kleinlichen Regungen unbegründeter Eifersucht selber etwas lächerlich vor.
Antonie hütete sich auch wohlweislich, ihren Gemahl eifersüchtig zu machen; denn sie wußte allzu gut, daß dies das ungeschickteste Mittel sein würde, ihre Pläne zu verwirklichen. Brühl hingegen machte sich tausend Gedanken über die Gründe solcher Veränderung im Wesen seines Weibes; er hatte manche schlaflose Nacht darüber verbracht und faßte sich endlich das Herz, mit Antonie ernstlich zu sprechen.
Er trat in ihr Boudoir, das sie wegen einer
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