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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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Unpäßlichkeit schon einige Tage nicht mehr verlassen hatte, und küßte ihre Hand: »Wie befindet sich meine schöne Gemahlin, noch immer leidend?«
    »Ach, ich kann es selbst nicht sagen, Graf. Leidend, und auch nicht, wie Sie es nehmen. Ich wünschte, ich wäre ernstlich unwohl, dann könnte ich mich wenigstens mit gutem Gewissen ins Bett legen. Aber mir fehlt eigentlich nichts -- oder vielleicht auch alles. Ich bin so leer, so öde, so langweilig! Ich sehe das selbst ein, ärgere mich über mich und bin doch unfähig, es zu ändern. -- Es mag vielleicht eine Krankheit meiner Seele sein, die ich nicht verstehe ... Ach, nicht wahr, ich bin recht unausstehlich, Heinrich? Sie sehen zu spät ein, Lieber, daß Sie eine schlechte Errungenschaft machten, als Sie mich zur Frau nahmen. Mir tut es um so mehr weh, als ich weiß, welchen Anstrengungen Sie sich meinetwegen unterwarfen.«
    Brühl hatte sich auf das Sofa neben ihr niedergelassen; seine Hand, mit der er die ihre umfaßte, zitterte leise. »Antonie, wollen Sie mir versprechen, ehrlich und offen zu antworten? -- Es ist etwas Fremdes zwischen mir und Ihnen, und ich fühle mit jedem Tage mehr, daß unser Glück sich untergräbt. Antonie, sagen Sie mir offen: lieben Sie mich nicht mehr?«
    »Mein Gott, ja, ich liebe Sie, Heinrich. Wem anders denn sollte ich meine Zuneigung zugewandt haben als Ihnen? Oder haben Sie irgend etwas bemerkt, was ...«
    »Nein, Antonie, nein! Nicht das geringste! Aber Sie sind seit einiger Zeit -- nicht kälter, nein, stiller, trauriger, passiver gegen mich geworden, und ich zerplage meinen Kopf umsonst, die Ursache davon zu ergründen, an der doch zweifelsohne ich allein schuld sein muß.«
    Antonie schüttelte, trübe lächelnd, den Kopf und drückte des Gatten Hand. »Nein, lieber Heinrich, das glaube ich nicht. Sie überschütten mich mit allen Liebesgaben, erschöpfen sich in Zartheit und Güte, und jedes Wort, das Sie zu mir sprechen, jede Ihrer Handlungen beweist mir, wie sehr Sie's wert sind, Liebe zu verdienen und das reinste Glück zu genießen. Ich muß wohl selber schuld sein an meinem Zustand, -- aber warum ich's bin, was ich zu tun habe, um anders, besser zu sein, kann ich nicht ergründen. Ich habe mich schon oft und ernstlich gefragt: ›Liebst du deinen Heinrich denn nicht mehr?‹ -- und tausend Stimmen riefen mir zu: ›Ja, ich liebe ihn!‹ Ich weiß, daß ich Sie liebe, daß ich niemand anders lieben kann, aber ich fühle, daß ich Sie nicht genug liebe, daß jeder Beweis von Zuneigung, den ich ihnen spenden kann, mit jedem Tage matter ausfällt. Ich sehe mit Entsetzen, daß ich meine Liebe unter den Händen zu verlieren im Begriff bin, ich habe eine unnennbare Angst vor dem unvermeidlichen Tag, an dem Sie, an mir verzweifelnd, mir Ihr Herz entziehen werden. Aber an dem Tage, Brühl, ... an dem Tage sollen Sie mich ins Grab legen, denn keine Stunde mehr werd' ich nach diesem Unglück leben!« Unter Tränen fiel sie ihm um den Hals und schluchzte: »Mein Gott, mein Gott! wie beklagenswert bin ich doch!«
    Bleich, verlegen, verworren, erschreckt vermochte Brühl keinen Gedanken zu fassen, kein Wort zu sagen. Er umfing das schöne, unglückliche Weib, das zusammengebrochen war. Er spürte ihren kurzen, glühenden Atem seine Wangen streifen, er fühlte das weiche, schwellende Heben und Senken der Brust. »O, mein süßes Weib«, stammelte er endlich, »gibt es denn kein Mittel, dich dir selbst und deinem alten Liebesglück wiederzugeben? Bei Gott! -- und wenn es die schwerste Arbeit meines Lebens sein sollte, wenn ich dafür ins Elend gehen muß, ich tu's!«
    »Ich weiß es nicht, Heinrich!« und sie glitt auf seinen Schoß. »Komm, hilf mir! Laß uns einmal alles erwägen und besprechen! Sieh: in mir ist eine eruptive Kraft, ein Dämon ist in mir, den ich die Sehnsucht des Strebens, des Tatendurstes, des Ehrgeizes nennen möchte, -- du aber, Heinrich, bist mein Gegenteil, du fühlst dich im Genießen und Empfinden -- vielleicht sogar ausschließlich -- wohl! Was nützt es, daß wir einander innig lieben, wenn die Gesetze unserer Charaktere verschieden sind?«
    »Ach! Nun begreif' ich dich, mein Weib! -- Nein, nein! du hast unrecht! Woher weißt du denn, daß unsere Charaktere verschieden sein müssen? Woher denn, daß ich deinen Ehrgeiz, den Tatendurst, die süße Gier zu herrschen, nicht ebenso stark in mir habe wie du? -- O, sprich nicht,
ma mignone
, ich weiß, was du sagen willst! ›Warum‹, willst du sagen,

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