Friedemann Bach
meinem Vaterland und dem Königshause nützen kann. Ich bin endlich mit meinen Bedenken fertig geworden und nach reiflicher Überlegung entschlossen, in den nächsten Tagen um meine Entlassung zu bitten. Ich glaube, Ihnen diese Notiz schuldig zu sein, damit Sie Maßregeln treffen können, bitte aber um Diskretion!«
»Aber, um Gottes willen, lieber Brühl, was tun Sie?" flüsterte angstvoll Hennicke zurück. »Sie lassen mich mitten ... o Gott ... Sie verstehen mich doch? Denken Sie sich meine Stellung, wenn mir der Anschluß an Sie im Kabinett genommen wird!«
»Ich muß, Graf Hennicke, ich kann nicht anders! Doch genug davon jetzt; nach dem Diner Weiteres! Treten Sie ein wenig zu den Gesandten, die einen sehr interessanten Gegenstand zu verhandeln scheinen. Ich fürchte, man hat etwas von unserem Gespräch gehört.«
Hennicke hatte nichts Eiligeres zu tun, als Pater Quarini und Gräfin Ogilva mitzuteilen, daß Brühl, des nutzlosen Zuwartens müde, den Dienst quittieren wolle. Eine Minute später wußte es der ganze Hof.
Brühl trat in den Speisesaal: »Rasch, ehe Seine Majestät kommt, holen Sie den silbernen Tafelaufsatz aus der Galerie!«
Die Lakaien flogen von dannen, Brühl war allein. Er trat an das Gedeck des Königs, sah nach der Versammlung, steckte rasch die Hand unter die Serviette, zog sie wieder zurück und schritt dann langsam nach dem anderen Ende des Saales; schon kehrten auch die Diener zurück, um einen prachtvollen silbernen Aufsatz, den Brühl aus Italien hatte kommen lassen, auf der Tafel zu postieren.
Befriedigt ging Brühl in den Salon zurück und trat zu den Gesandten Österreichs und Rußlands, die ihn in letzter Zeit wieder auffallend flattierten. Auf den Gesichtern lag Bestürzung über Hennickes unangenehme Nachricht. »Ich habe soeben gehört, daß ein Mitglied des Kabinetts auszutreten beabsichtigt«, sagte der Österreicher.
»Leider, meine Herren, ist die Nachricht verbürgt, obwohl es nicht ganz diskret sein mag, das Faktum vor dem Faktum zu besprechen ... Im übrigen: die Majestäten betreten den Speisesaal.«
Der König führte die Königin an den gewohnten Platz in der Mitte der Tafel, die Minister standen gegenüber, die Gräfinnen Ogilva und Brühl neben der Königin, der österreichische, russsische und französische Gesandte neben dem König. Die anderen Geladenen schlossen sich nach der Rangordnung an.
Mit sichtlichem Erstaunen bemerkte der König den kostbaren Aufsatz. »Wie kommt das hierher? Welche Überraschung!« -- und er betrachtete mit großem Vergnügen die wertvolle Arbeit, die selbst die stolze Königin reizend fand -- »indessen dürfte die Überraschung erst dann ihren höchsten Wert erlangen, wenn wir ihren Urheber kennen würden!» August blickte fragend umher.
»Das ist vielleicht das wertloseste an der Sache, Majestät. Die Arbeit trägt insofern den größten Wert in sich, als ich aus guter Quelle versichern kann, daß sie von Benvenuto Cellinis Hand ist; ich hatte Gelegenheit, die Arbeit in Florenz zu sehen.«
Der König und die Königin sahen Brühl angenehm überrascht an. »Nun, da sich der Spender dieser Aufmerksamkeit nicht nennen will, lieber Brühl, müssen wir uns bescheiden; vergessen werden wir ihn darum nicht!«
Brühl verbeugte sich errötend. Die Majestäten nahmen ihre Plätze ein, der Hofstaat folgte. Es wurde aufgetragen, der König griff nach der Serviette. Da gewahrte er auf seinem Teller ein Kästchen, das er neugierig öffnete: »Noch eine Überraschung?« -- Alles war gespannt. Er nahm ein Medaillon heraus, stutzte und wurde rot, sah es noch einmal an und zitterte heftig. Plötzlich sprang er in einem unbeherrschbaren Ausbruch von Wut empor, schleuderte einen grimmigen Blick auf die ihm gegenübersitzenden Minister Brühl, Sulkowsky und Hennicke, und warf das Medaillon zornig zur Erde. Alles war entsetzt aufgestanden. Der König, heftig die Hand Josephas fassend, verließ lautlos mit ihr den Saal. Gräfin Ogilva, Quarini und Kammerherr von Lenke folgten.
Jede Bewegung schien erlahmt. Langsam fand man sich in die katastrophale Lage, und die erbleichten Gesichter kehrten sich einander zu. Der österreichische Gesandte, zu dessen Füßen das Medaillon gerollt war, hob es auf und sah es an. Es trug ein Abbild der sächsischen Krone, die auf den Schultern dreier Männer ruhte, und darunter stand:
Wir sind unserer drei,
Zwei Pagen und ein Lakai.
»Das ist eine Infamie!« rief jemand, »man hat es gewagt, Seine Majestät mit
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