Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
Vom Netzwerk:
einer beispiellosen Frechheit zu beleidigen!«
    Das Medaillon wanderte von Hand zu Hand. Als es an Brühl kam, betrachtete der es mit großer Kälte, zuckte die Achseln und gab es an Hennicke: »Das ist die größte Schmeichelei, die man mir erweisen kann. Sie ist nur unwahr; denn ich wenigstens trage die Krone nicht.«
    Eine peinliche Viertelstunde verstrich. Endlich öffnete sich die Tür. Kammerherr von Lenke trat ein: »Herr Graf von Brühl, Seine Majestät befiehlt Ihre Anwesenheit!«
    Brühl verschwand. Eine feierliche Stille trat ein. Sulkowsky und Hennicke sahen sich gläsern an.
    Plötzlich flog die Tür auf, und Brühl kam zurück. Er war ruhig, als sei nichts geschehen; keine Muskel seines Gesichtes zuckte, als er durch den Saal schritt: »Graf Sulkowsky und Graf Hennicke, ich habe Ihnen im Namen Seiner Majestät anzuzeigen, daß Sie sofort entlassen sind!«
     

Kapitel IX
     
    Friedemann Bach hatte seine Stellung als Oberorganist der Sophienkirche in Dresden angetreten. Zu der geistigen und künstlerischen hatte er nunmehr die materielle Freiheit des Lebens erlangt.
    Im Hause des Vaters hatte er sich den Regeln, der Sitte, der Denkungsart des Hauses streng unterwerfen müssen; denn der alte Bach hielt in diesen Dingen unabweisbar an der Sitte der Väter, am ehrwürdig Hergebrachten, und selbst die Freude trat in einer Form auf, die mehr einem Abglanz der Frömmigkeit als einem selb[[?]s]tvergessenen Übersprudeln im Glücksrausch der Minute glich. Die unabänderliche Ordnung des Tages, der Geschäfte und selbst der Erholung hatte in Leipzig für Friedemann oft etwas Drückendes gehabt; um so mehr, als er durch seine Studienzeit in Merseburg den freien Flügelschlag des akademischen Jugendlebens empfunden, als er durch seine kecken skeptischeren Ansichten von der Welt und vom Leben, schließlich aber durch seine feurigere Künstlernatur einer größeren Ungezwungenheit zuneigte.
    Hier in Dresden hatte sich das geändert. Herr seiner Zeit und Entschließungen, seines Hauses und Amtes, hatte er sich plötzlich in eine Freiheit versetzt gesehen, die ihm neu und ungewohnt war und anfangs ein gewisses Gefühl der Einsamkeit und Bangigkeit gab. Daher frischte er häufig Erinnerungen aus dem Vaterhause auf und pflegte einen eifrigen Briefwechsel mit den Seinen. Die Arbeitsstube richtete er wie die des Vaters ein, seine Hausordnung wurde der in Leipzig angepaßt, und durch öftere Besuche des Vaters, der Geschwister oder der jungen Künstler, die seine Unterrichtsgenossen gewesen waren, riß die Verbindung mit der alten heimatlichen Welt nicht ab. Sebastian war dessen froh; denn er wußte, daß Friedemann ihn als Künstler vielleicht, als Sohn und Mensch aber noch nicht entbehren könne.
    Der junge Bach besaß Seiten in seiner Veranlagung und seinem Wesen, die ihm das Vorwärtskommen auf eigene Hand schwer machen mußten. Sebastian hatte nichts als sein Talent besessen, und er mußte zusehen, wie er sich mit diesem durch die Dürre des Lebens schlagen, wie er die mannigfachen Widrigkeiten und Hindernisse auf seinem Weg bewältigen würde. Aber dieser ständige Kampf stählte seine Kräfte, machte ihn zu fernerem Ringen desto geschickter. Er lernte, sich zu schmiegen und zu biegen, »fünfe auch einmal gerade sein zu lassen«, sein zuweilen jähzornig aufwallendes Blut zur Ruhe zu zwingen. Friedemann war von Jugend auf behütet und umsorgt gewesen; des Vaters Hand hatte ihn vor jedem schmerzhaften Anprall an die rauhe Wirklichkeit zu bewahren gewußt. Seine Leidenschaften schliefen noch. Er erlebte das Dasein fast wie einen lichten Traum, und sein Geist lustwandelte ständig im Reich der Töne. Alles, was er tat, auch das scheinbar Abgeschlossene, hatte immer noch etwas Fragmentarisches an sich.
    In der Musik war dem jungen Bach die ganze Fülle der Kunst seines Vaters zu eigen; aber so sehr er auch deren innerstes Wesen in sich zu verlebendigen verstand, seine eigene strebte doch nach anderer Richtung. Der Geist von Sebastians Musik war die Religion, nicht Religion im allgemeinen, sondern der strenge, tiefinnerliche, mit aller Kraft des Gemüts und der schöpferischen Begeisterung erfaßte Evangelienglaube. In ihm lebte und schuf er dergestalt, daß er durch die Töne den heiligen Text Wort für Wort, Begriff um Begriff, wiedergab und interpretierte. All das Unendliche, das im Wort nicht zu erklären war, machte er mit der Gewalt und Hoheit, der Tiefe und Unerschöpflichkeit, der Empfindungskraft und dem

Weitere Kostenlose Bücher