Friedemann Bach
vom Hofe, um es dann unter sich durch Weckung gegenseitigen Mißtrauens wieder zu trennen. Er wurde das einzige Band, das das königliche Paar mit dem Land und Hofe einte, das einzige Sprachrohr aller Interessen, der einzige Kanal, durch den alles zu- und abfloß. Antonie von Brühl teilte sich als Oberzeremonienmeisterin mit der ihr ergebenen Gräfin Ogilva in den inneren und äußeren Dienst bei der Königin; die einzelnen Minister hatte Brühl zu einem Gesamtministerium vereinigt, die einen Geheimen Ministerialdirektor, einen Sekretär Brühls, zum Vorstand hatten. So kamen die Geschäfte in die Hände eines Siepmann, Saul, von Stubenberg, Kriegsrat Karbe und ähnlicher Männer.
Alle diese Kreaturen Brühls kannten nur die eine Aufgabe, den rücksichtslosen Willen ihres Chefs durchzusetzen; und wenn dieser einerseits stets ängstlich bedacht sein mußte, sich vor einem jähen Sturz zu sichern, andrerseits jedes, auch das verwerflichste Mittel anzuwenden, um des Königs wachsenden Geldbedarf zu befriedigen, -- so kamen beide Teile auf ihre Kosten. Während Brühl von zehn Uhr vormittags bis acht Uhr abends fast ununterbrochen um den König war und sich dadurch die Möglichkeit schuf, alle Personen und Dinge von ihm fernzuhalten, die ihm Schwierigkeiten oder Schaden einbringen konnten, besorgten seine Vertrauten die übrigen Geschäfte in seinem Sinn. Besonders Siepmann, Saul und Karbe kannten keinerlei Hemmungen und ließen sich zu jedem Auftrag bereitfinden, wenn er nur Gewinn einbrachte.
»Habe ich Geld?« fragte August III. fast täglich seinen Premier, wenn er seufzend, aber doch voller Herrscherstolz und Eitelkeit einer besonders luxuriösen Gepflogenheit des verschärften Hofzeremoniells nachkam, -- und Brühl antwortete jedesmal: »Jawohl, Euer Majestät!« Und wie er für den König die Mittel zusammenzuscharren verstand, die zur Aufrechterhaltung des Glanzes der Krone notwendig waren, so verstand er es auch, seine ergebenen, stets Beihilfe leistenden Freunde reichlich aus dem goldenen Born schöpfen zu lassen. Selbst den Pater Quarini, der mehr eitel und geldgierig als herrschsüchtig war, nahm er durch das Versprechen des Kardinalshutes und durch hohe und gesicherte Einnahmen für sich gefangen; zudem holte er in allen wichtigen Fragen seinen Rat ein, wohl wissend, daß der Geistliche hinwiederum der Königin berichtete, die somit im Glauben blieb, daß alles Geschehen vorher durch ihre Hände ginge.
Die Geschicklichkeit, Geld »zu machen«, ließ Brühl sich selbstverständlich auch selbst zugute kommen. Bei dem gefährlichen Spiel, das er mit verbrecherischen Mitteln begonnen hatte und mit bedenklichen weiterbetrieb, mußte er immer mit der Möglichkeit eines Entdecktwerdens und des dann unvermeidlichen Sturzes rechnen. Aus einem Dasein der Angst und des Mißtrauens, der Furcht und Schlaflosigkeit, der ewigen Aufregung und lauernden Spannung sollte zum wenigsten eine Zukunft der Sorglosigkeit, der Behaglichkeit und des uneingeschränkten Wohllebens ersprießen. Er legte bedeutende Gelder in Grundstücken an, deponierte große Kapitalien auf ausländischen Banken, stattete seinen Palast, das »Hotel Brühl«, mit aller erdenklichen Pracht und den auserlesensten Kostbarkeiten der Kunst aller Länder aus.
»Habe ich Geld?« fragte an einem rauhen Oktobermorgen des Jahres 1740 der König wieder einmal mit besorgtem Klang in der Stimme, und als Brühl wie stets bejahte, fuhr er fort: »Ich fürchte, wir werden es in nächster Zeit besonders nötig haben. Ich habe mich nämlich entschlossen, lieber Graf, die Erbansprüche Ihrer Majestät gegen Österreich auf jeden Fall und unter allen Bedingungen anzumelden und zu verfechten.«
»Und die pragmatische Sanktion, Majetät?«
»Kehrt sich Preußen daran, kümmert sich mein Schwager Karl Albert auch nur einen Deut darum?«
»Gewiß, Euer Majestät, -- aber es sind da doch gewichtige Unterschiede nicht zu vergessen! Euer Majestät erlauchter Schwager, der Kurfürst von Bayern, hat die pragmatische Sanktion niemals anerkannt ...«
»Ob oder ob nicht, bleibt sich gleich! Er hat ebenso eine Tochter Josephs I. -- Gott hab' ihn selig! -- zur Gemahlin wie ich, -- und ich hab' die älteste.«
»Nicht darauf gründet er seine Ansprüche, Majestät, sondern, als Nachkomme einer Tochter Kaiser Ferdinands I., auf ein Testament von 1547. Der König von Preußen vollends stellt keine Erbansprüche, er verlangt -- ob mit Recht oder Unrecht, mag dahingestellt bleiben --
Weitere Kostenlose Bücher