Friedemann Bach
nicht zu sagen, und ... Ach Gott, Friede, rat' uns, was wir tun sollen!«
»Ja, 's ist schlimm, Friederike! -- Nun, Altnikol ist ein ganzer Kerl, dem gönnte ich schon meine Lieblingsschwester! Weißt du was? Pack' hier oben allein weiter, ich will einmal zusehen, ob ich Altnikol sprechen kann.«
»Ach Gott, daß der Vater nur nichts merkt!«
»Nein doch, sei nur ruhig!«
Friedemann ging zu den anderen hinunter und nahm seinen Freund beiseite: »Du, Nikol, weißt, wir wollen dem Vater heut abend ein Quartett machen; verschwinde, ehe er's merkt, und besorge das Nötige.« Altnikol winkte, nahm still den Hut und schlich sich fort ...
»Lieber Vater, kann ich mit dir und der Mutter ein paar Worte allein reden?«
»Zehn für eins, Friede; komm hier herein in die Hinterstube! So! Und nun, was ist's?«
»Ich hab' eine recht große Bitte an dich, Vater. Du mußt mir aber versprechen, daß du nicht böse sein willst, wenn ich was sage, was du nicht gerne hörst.«
»Na ja, ich versprech' dir's. Heute kann ich gar nicht böse sein.«
»Also denn, lieber Vater, liebe Mutter: ich trete vor euch als Brautwerber für meinen Freund Altnikol, der die Friederike gar lieb hat. Er kann Organist in Naumburg werden, hat's nur noch nicht zugesagt, weil er ... na, er fürchtet sich, ihr möchtet ihn abweisen.«
»I, ich hab' längst schon so was gemerkt«, sagte die Mutter, »ich wollte dir nur nichts sagen, Bastian, denn du hättest doch nicht eher ja gesagt, als der Nikol eine Stelle hat.«
»So? Das ist ja recht hübsch! Und du Spitzbube, du Schlingel kommst nach Leipzig, lauschst mir meine Fidelität ab und überrumpelst mich? Na ja ... soll halt die Friederike den Nikol haben, und heute abend ist Verlobung. Aber ganz still sein davon, und platzt mir nicht dazwischen! Weiß Friederike, daß du mir ...?«
»Nein, lieber Vater! Sie hat mir's gebeichtet, und da sie Angst hatte, du möchtest es ausschlagen, hab' ich ihr gesagt, ich wollte erst mit Nikol reden. Der ist aber gerade einmal nach Hause gegangen, und da habe ich mir ein Herz gefaßt und bin vor die rechte Schmiede gezogen.«
»Das ist gescheit! Hast du was gegen Nikol, Mutter?«
»I bewahre, mich freut's von Herzen!«
»Also gut! -- Die Mutter besorgt einen ordentlichen Braten, ich gebe ein paar Flaschen Wein, und das andere findet sich. Nur seid ernsthaft und verderbt mir einen Spaß nicht! -- Du, Magdalene, wo hast du denn das Notenbuch, das ich dir damals schenkte? Da steht ein Lied drin, Friede, 's ist das einzige, das ich mein Lebtag komponiert hab'.«
»Du hast also doch einmal ein Lied komponiert, Herzvater?« rief Friedemann überrascht.
»Nicht bloß komponiert, sondern auch gedichtet, Friede, -- als die Mutter und ich Brautleute waren. Ja, ja, was du dir denkst! Na, einem Liebhaber verzeiht man so etwas, selbst wenn er die Kunst ein wenig leicht nimmt. Aber sonst habe ich nur für den lieben Gott komponiert. -- Also, such das Büchel, Magdalene! Das Lied soll heute abend die Friederike zur Strafe singen, und der Altnikol muß sie begleiten.«
»Ach, prächtig! Bastian, du bist prächtig! -- Glaub mir, Friedemann, so lustig hab' ich den Vater noch nie gesehen!«
Je näher es dem Abend entgegenging, desto mehr nahmen die Heimlichkeiten zu. Jeder schlich herum und lächelte, als gälte es einen Spitzbubenstreich. Altnikol hatte alles zum Quartett besorgt, hatte Krebs gerufen und Emanuel eingeweiht. Der alte Bach war zum Weinhändler und Kuchenbäcker gegangen. Magdalene, Hanne und die Töchter werkten in der Küche, wo das Feuer prasselte und der leckere Braten seinen Duft entsandte. Nur die arme Friederike, der Friedemann gesagt hatte, Nikol sei einstweilen weggegangen, sie möge sich auf ein andermal gedulden, war traurig; die Tränen traten ihr in die Augen daß es die Mutter gewahr wurde. »Ach, der dumme Rauch beißt so in die Augen!« stotterte das Mädchen und eilte hinaus, um den Tisch zu decken ...
»Wo bleibt denn der Altnikol?« fragte Sebastian, als er sich mit den Seinen an die einladend bestellte Tafel setzte. »Habt ihr ihm nicht gesagt, daß er heute unser Gast ist?«
Er sah unruhig umher, seine Augen hafteten auf Friedemann.
»Er wollte gleich wiederkommen«, antwortete dieser, »ich will doch einmal nachsehen!« -- und Friedemann ging hinaus.
»Und der Emanuel fehlt auch? Was das für eine Trödelei ist!« brummte der Vater. »Meiner Seele, das junge Volk wird heutzutage immer unakkurater! Da war ich ein andrer Kerl, als ich
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