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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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...«
    Eine gedämpfte Musik, die draußen erklang, schnitt seine weiteren Worte ab. Auf dem Flur saßen die vier alten Quartettgenossen und spielten des Vaters Lieblingssonate wie ehemals, Friedemann erste, Emanuel zweite Violine, Krebs Bratsche und Altnikol das schwermütig-sonore Violoncell.
    Bach war tief ergriffen. Schweigend hörte er zu und folgte jeder Passage, jeder Modulation mit lächelndem Neigen des Kopfes, grüßte jeden Ton wie einen alten lieben Bekannten. Vor ihm saßen seine beiden Söhne, zwei Talente von seltener Größe. Der eine, dessen Ruf schon weit erklang im deutschen Land, der andere, Emanuel, reif, hinauszugehen, um seine erste Lanze zu brechen; dort seine beiden liebsten Schüler, der eine seinem Herzen seit wenigen Stunden doppelt lieb. An seiner Seite das treue, fröhlich schaltende Weib, um ihn die Schar lieblicher Töchter, spielender Knaben, er selbst geschmückt mit dem Lorbeer des Ruhmes. Er durfte zufrieden sein ... Aber da -- nebenan in der Kammer -- ein quirlend-greller Tierlaut, die Stimme seines blödsinnigen David.
    »Der Herr hat's gegeben, der Name des Herrn sei gelobt!« murmelte Sebastian und preßte Magdalenes Hand, die rasch aufstand und zu dem armen Kleinen ging.
    Das Quartett war beendet, alle saßen um den gastlichen Tisch und taten Hannes Kochkunst die gebührende Ehre an. Die Gläser kreisten, und bald ließ man die herrliche Frau Musika, bald den Altmeister Sebastian, die Hausmutter und Friedemann leben. Der Tisch wurde abgeräumt, die Gläser blieben.
    »Nun, Kinder, aufgepaßt! Jetzt wollen wir den alten Ohrenschmaus der lustigen Thüringer halten; wer lacht, muß aufhören, wer gewinnt, dem schenk' ich ein Andenken an diesen Tag!«
    Bei Sebastian war alles, selbst der ausgelassenste Zeitvertreib, Musik, und wenn er wirklich einmal übermäßig fidel war, wurde ein »Quodlibet« gesungen. Jeder Anwesende mußte etwas anderes singen, der eine etwa ein Volkslied, der zweite einen Choral, der dritte ein Menuett, der vierte ein Schelmenlied, -- auf das Einsatzzeichen hin alle aber gleichzeitig.
    Lange dauerte es nicht, dann platzte einer in herzliches Lachen aus und mußte aufhören, bis endlich der letzte standhaft mit seiner Weise schloß. Heute war Altnikol Sieger geblieben, und wahrscheinlich wohl nur deshalb, weil sein Herz gerade heute der Lustigkeit nicht sehr zugänglich war.
    »Na, der Altnikol hat's also! Gut, -- ehe Ihr geht, erinnert mich daran; ich hab's in meiner Stube oben, was Euch zugedacht ist. -- Hier sind noch drei Flaschen Wein, die wollen wir 'nüber zum Klavier nehmen, damit wir ewas Tastenschmalz haben. Hast du das Buch, Mutter?«
    Magdalene langte ein altes, geschriebenes Notenheft hervor und reichte es dem Alten.
    »Jetzt paßt einmal auf, Kinder! In dem Buch da steht ein Lied, das hab' ich unserer Mutter gedichtet und komponiert, und seitdem keines wieder. Es ist eine artige Anweisung für Liebesleute. Da, Friederike, sing's einmal; Altnikol mag dich begleiten!«
    Die beiden Angeredeten waren wie vom Schlage getroffen. »Nun, was ist denn? Habt euch doch nicht so, ihr seid ja kein Liebespaar.«
    Friederike hätte zusammenbrechen mögen, aber sie durfte nicht zeigen, wie ihr ums Herz war, durfte nichts merken lassen, mußte singen. Altnikol setzte sich ans Klavier, das Buch wurde aufgeschlagen, und bebend begann Friederike:
    »Willst du dein Herz mir schenken,
So fang es heimlich an,
Daß unser beider Denken
Niemand erraten kann.
Die Liebe muß bei beiden
Allzeit verschwiegen sein ...«
    und konnte ihren Tränen nicht mehr Einhalt gebieten; krampfhaft schluchzend fiel sie der Mutter um den Hals. Altnikol, im tiefsten Herzen verwundet, erhob sich, um nach Hut und Stock zu greifen.
    »Einen Augenblick noch, Nikol! Wenn Ihr gehen wollt, muß ich Euch ja das Quodlibetgeschenk geben. -- Da, Herr Organiste, wenn's Euch nicht zu gering ist: da, nehmt meine älteste Tochter Friederike! Ihr müßt sie mir nur noch ein bissel auf Borg lassen, bis Ihr in Naumburg eingerichtet seid.«
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    Der Freudentag war verrauscht. Die Verlobten hatten auf Friedemanns Bitte das reizende »Willst du dein Herz mir schenken« noch einmal und diesmal zu Ende gesungen, der letzte Ton war verhallt, das letzte Glas getrunken. Nach einem lustigen »Gute Nacht, Herr Schwiegersohn!« war Altnikol nach Hause gegangen, und die Familie Bach schickte sich an, zu Bett zu gehen. Sebastian, seinen Friedemann am Arm, ging hinauf in seine Stube.
    Es war eine herrliche Maiennacht.

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