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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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die Gewicht und Wahrheit haben sollen! Gott erhalte Sie, junger Freund!«
    Friedemann war wie vom Blitz getroffen. -- Ulrike liebte ihn, und er hatte durch sein leichtsinniges, übertrieben liebenswürdiges Verhalten sie in den Glauben versetzt, er empfinde gleichfalls Neigung für sie. Inniges Mitleid und tiefe Reue bemächtigten sich seiner, denn sein Herz war zu groß und edel, um bei fremdem Leid ungerührt zu bleiben, erst recht, wenn er -- obwohl ohne Absicht -- die Ursache davon war. Er machte sich die bittersten Vorwürfe, sah im Geist das leidende Mädchen und beschloß, nichts ungetan zu lassen, um wiedergutzumachen. Ulrike jedoch zu lieben, das lag nicht in seiner Kraft. Voll Beschämung entschloß er sich, an Merperger zu schreiben, ihn seiner heftigen Reue zu versichern und, sein Benehmen bitter anklagend, ihm als seinem Seelsorger Besserung zu geloben. Mehr konnte er nicht tun.
    Sein Erlebnis war indessen von so tiefgreifender seelischer Wirkung, daß von dieser Zeit an eine auffallende Änderung in ihm vorging. Seine weltmännische Glätte blieb zwar; aber wenn sie bisher von dem Schwung seines Geistes, von einem Abglanz seines phantasiereichen Innern schillernd belebt war, so bekam sie nun etwas Starres, Kaltes, Abweisendes. Er schien voller Mißtrauen erst die Seele des mit ihm Redenden geistig abzutasten, und wenn hinfort eine schöne Frau durch Entfaltung aller Liebenswürdigkeit ihn in seinen alten Ton zurückzubringen versuchte, sah er darin nur Schlingen, die die Heiratslust der Mädchen ihm stellte. Er wurde dann oft unartig und begann schließlich, das weibliche Geschlecht möglichst zu meiden.
    Friedemanns Freunde bemerkten seine eigentümliche Wandlung, doch kannte keiner, außer Merperger und Doles, den wahren Grund; beide empfanden vor seiner Willenskraft und seinem sittlichen Stolz gerechte Bewunderung, sahen aber auch zu ihrem Bedauern, wie er in ein Extrem verfiel, das seinem inneren und äußeren Leben nur gefährlich werden konnte. Der Prediger hätte ihn gern aufmerksam gemacht, fühlte jedoch nur zu lebhaft, wie wenig gerade er einschreiten konnte, und Doles, dessen rücksichtslose Freundschaft eines Tages einen Vorstoß wagte, lief schief an. »Ich will's so!« hatte Friedemann nur gesagt und jede weitere Erörterung abgelehnt.
    Merperger sah Bach nur noch in der Kirche oder bei einem kleinen Abendzirkel von Herren, der sich allwöchentlich einmal bei Friedemann einfand, und den der Prediger gern besuchte, weil er den geistreichen Künstler, der ihm in seinem Amte so nahestand, nicht missen wollte. Außer ihm und Doles bestand die Gesellschaft noch aus dem Stadtsyndikus Weinlich, einem alten musikalischen Hagestolz, Homilius und dem Musiklehrer Transchel, der ein alter Mitschüler Friedemanns bei Bach gewesen war. Diesen Kreis beschloß der Hofmathematikus Walz, ebenfalls ein alter Junggeselle, bei dem der Hausherr seine Studien, besonders in Algebra, Physik und Philosophie, fortsetzte. Wenn Hasse und seine schöne Faustina in der Oper nichts zu tun hatten, sprachen auch sie häufig vor und brachten mit ihrem leichten italienischen Melodiengetändel eine gefällige Abwechslung in die Diskussionen über Wolffscheu Rationalismus oder Voltaires
»Lettres philosophiques«.
    Von Gesellschaften außer dem Hause hatte sich Friedemann tunlichst zurückgezogen, und unter den wenigen, die er noch besuchte, nahmen das Hotel Brühl und die Familie des Herrn von Schemberg die erste Stelle ein. Herr von Schemberg, der bei Hofe höchst beliebt war, hatte für Friedemann eine herzliche Freundschaft gefaßt; auch seine Frau hatte den jungen Künstler gern, und da sie älter war als er, nahm sie sich öfter die Freiheit, ihm rückhaltlos »den Marsch zu blasen«. Sie war eine höchst gebildete und geistreiche Frau, und Friedemann ließ sich von ihr gern alles gefallen.
    Nicht mit der gleichen freundschaftlichen Herzlichkeit, aber doch mit betonter Liebenswürdigkeit und besonderer Auszeichnung wurde der junge Bach auch im Hause Brühl als stets willkommener Gast empfangen. Er war fast die einzige Privatperson, die der Minister aus seinen früheren Jahren mit herübergenommen hatte; denn außer Antonie war er der einzige Mensch, mit dem Brühl ehrlich umgehen konnte und wollte, in dessen Gesellschaft er sich menschlich frei fühlte, sich besser vorkam als sonst im Leben. Bei traulichen Gesprächen im engeren Familienkreise konnte er wahrhaft liebenswerte Seiten enthüllen, eine tiefe, solide Neigung,

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