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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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wir nicht verstehen, sondern allein fühlen müssen, wenn wir des heiligen Geistes voll sein wollen. Die Musik ist die Sprache des Herzens, die Sprache der Liebe und die Sprache Gottes, weil alle drei im höchsten Entzücken eins sind. Drum ist auch jede Melodie ein Gedanke und jeder Ton ein Wort.«
    »Und die Harmonie, lieber Bach?« warf die Ministerin zärtlich-verstohlen hinüber.
    »Die Harmonie, Exzellenz, wollte ich nun hieraus erklären: denke man sich die schönste Melodie der Welt, die seelenvollste«, -- und seine Hand glitt mit einem süß flüsternden Adagio über die Tasten -- »sie wird, solange sie allein steht, stets eintönig und unvollkommen sein. Tritt aber zu der einen Stimme, die die Melodie gibt, eine zweite, die den Gedanken wiederholt, neu beleuchtet, gewissermaßen als ein anderes Ich mit anderen Augen anlächelt, dann erst beginnt das wahre Leben des Tones, dann wird er zur eigentlichen Musik, und die einfachste Form, die des Liedes, kann erstehen. Es ist bei zwei solcher Stimmen wie bei zwei Menschen, die ein Gefühl durchglüht, eine Stimmung beseelt, ein Gedanke entzündet. Zwei Menschen, die in ihrer individuellen Freiheit dieses vereinte Gefühl, den Gemeinsamkeitsgedanken, zur höchsten Vollendung bringen, sich umflattern, durchdringen, gegenseitig wiederholen und ergänzen, sich umschlingen und küssen und selig zusammenrinnen. Und je mehr Stimmen dazukommen, desto höher wird die Wonne, desto reicher der Gedanke, und die Sehnsucht dehnt sich aus zum Himmel und wird unendlich weit und allmächtig, wird Welt und Seligkeitsgedanke, der Gedanke Gottes!«
    In seiner Begeisterung war Friedemann aufgesprungen, hatte den schwellenden Arm seiner Schülerin gepreßt, die andere Hand, als wolle er unsichtbare Rosen pflücken, emporgehoben; mit verzehrenden Blicken sah er die Ministerin an, willens, ihr zu einem Geständnis zu Füßen zu sinken ... In diesem Augenblick stand die junge Kollowrat hastig auf. Er ließ ihren Arm los, errötete und bat stotternd um Entschuldigung.
    Die Gräfin Brühl, die dem schönen Mann mit fieberigem Pulsschlag zugehört hatte, war über die scheinbare Prüderie der Tochter sehr ungehalten, faßte sich aber schnell und sagte: »Wenn Sie von uns volle Verzeihung für Ihre dichterische Kühnheit finden wollen, müssen Sie uns den lange erbetenen Beweis geben, daß Sie auch mit solch großem Gefühl zu schaffen vermögen, und uns ein Lied komponieren. Ja, wollen Sie das? So ein Lied, in dem zwei Stimmen sich begegnen, ein Liebeslied vielleicht, Friedemann.« Und seine Hand in der ihrigen haltend, sah ihn die Ministerin mit einem seltsamen Blick an. Friedemann gab den Blick zurück und setzte sich ans Klavier. Die Ministerin stand vor ihm.
    Antonie von Kollowrat war leise hinter die Mutter getreten und hatte, im Instinkt der kommenden Katastrophe, seinen Blicken dadurch, daß sie die Mutter als Schutzschild benutzte, wenigstens das Verräterische genommen. Die Ministerin merkte nicht, was Antonie tat, sie war in Friedemanns Anschauen verloren und harrte des kommenden Gesanges, der, wie sie meinte, ihr ein Liebesbote werden sollte. Friedemann griff in die Tasten. Ein kurzes Vorspiel. Sein schwärmerisches Auge erhob sich, sah hinter dem Antlitz der Mutter das der Geliebten, und dankte ihr mit einem kleinen Lächeln für die Schalkheit. Plötzlich wurde er bleich; er fühlte, daß er an der Schwelle seines Schicksals stand. Er sang:
    »Willst du dein Herz mir schenken,
So fang es heimlich an,
Daß unser beider Denken
Niemand erraten kann.
Die Liebe muß bei beiden
Allzeit verschwiegen sein,
Drum schließ die größten Freuden
In deinem Herzen ein.
    Behutsam sei und schweige,
Und traue keiner Wand;
Lieb innerlich und zeige
Dich außen unbekannt.
Kein Argwohn mußt du geben,
Verstellung nötig ist;
Genug, daß du, mein Leben,
Der Treu' versichert bist.
    Begehre keine Blicke
Von meiner Liebe nicht,
Der Neid hat viele Tücke
Auf unsren Bund gericht'.
Du mußt die Brust verschließen,
Halt deine Neigung ein,
Die Lust, die wir genießen,
Muß ein Geheimnis sein.
    Zu frei sein, sich ergehen,
Hat oft Gefahr gebracht;
Man muß sich wohl verstehen,
Weil falsch ein Auge wacht.
Du mußt den Spruch bedenken,
Den ich vorher getan:
Willst du dein Herz mir schenken,
So fang es heimlich an.«
    Er sprang auf, nicht mehr Herr seiner Sinne ...
    »Pardonnez, maman, mon mouchoir!«
-- und Antonie eilte hinweg, um ihre Bewegung zu verbergen und den Unsinnigen vor dem Schlimmsten zu

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