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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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ein Herz, das doch empfänglich für Einfachheit war und ihn edel und gut erscheinen ließ.
    Sogar Antonie von Brühl, die Frau, um deretwillen der Graf alles nur Erdenkliche auf sein Gewissen geladen hatte, die Frau, die sich in jahrelangem, rastlosem, unersättlichem Streben zum Ziel ihrer Wünsche durchzukämpfen gewußt hatte: sie begann einzusehen, daß der wahre Genuß des Lebens im Einfachen bestehe, wenn es nur von echter, tiefer, opferfähiger und heißerwiderter Liebe geboten wird.
    Hatte sie solche Liebe jemals gegeben, jemals empfangen? War sie nicht im Grunde immer nur an eine ahnungsvolle, schmerzlich-süße Sehnsucht geschmiedet gewesen?
    Von ihrer Mutter, der Fürstin Kollowrat, Oberhofmeisterin unter Königin Eberhardine, streng erzogen, war sie in eine ländliche Pension bei Dresden gebracht worden, um vor dem leichtsinnigen Leben des Hofes behütet zu bleiben. Aber gerade das, was ihr Schutz sein sollte, wurde ihr zur Falle. August der Starke, der es oft liebte, den romantischen Abenteurer zu spielen, traf die junge Antonie im Garten bei Tharandt und leitete sofort ein galantes Schäferspiel ein, dem die leicht Erregbare nicht widerstand, und dessen Folgen sie erst einsah, als sie nicht mehr zu ändern waren. -- Antonie wurde aufs innigste bemitleidet; die eigentümliche Art ihres Unglücks, der Umstand, daß sie eine verführte Unschuld und keine Mätresse war, erwarben ihr die ritterliche Achtung und Zuneigung der Männerwelt. Zu sehr beeindruckt jedoch von dem schlimmen Verlauf ihres ersten Debüts in der Liebe, war sie von äußerster Zurückhaltung; sie legte ihrer Leidenschaftlichkeit Zügel an und gönnte ihrem Herzen nur dann ein Mitbestimmungsrecht, wenn zugleich ihr Ehrgeiz, ihr Hunger nach Macht, Reichtum, Luxus und Lebensgenuß befriedigt wurden.
    Bei Brühl war das, nachdem er das aufregende und unterhaltsame Spiel der Nebenbuhlerschaft zu seinen Gunsten entschieden hatte, der Fall. Aber nun, heute? Aus der Hetzjagd nach Erfolg und Macht war gesicherter, ruhiger Besitz geworden, aus dem Sturm der Gefühle und Neigungen Windstille, aus ihrer Ehe Alltag. Was blieb, war Langeweile ...
    Und aus dieser Langeweile, die der Dreiunddreißigjährigen zu mancherlei Gedanken über sich selbst reichlich Anlaß und Gelegenheit bot, erwuchs ihr geheimer Abwehrwunsch von dem Gewesenen, ihre Unzufriedenheit mit der Gegenwart, ihre Sehnsucht nach einer Zukunft voller Glück und Märchenwunder. Sie geriet ins Träumen ...
    Und plötzlich wußte sie, wen ihre Sehnsucht gesucht hatte, wem ihr Herz entgegenjubelte, die Ströme ihres Blutes in heißer Leidenschaft zurauschten: -- es war Friedemann Bach. Die Ministerin liebte Friedemann namenlos, glühend, mit der ganzen Kraft ihres unbefriedigten Frauentums, -- wenigstens glaubte sie das -- und je mehr sie sich ihm zu nähern suchte, je vorsichtiger sie dabei zu Werke gehen mußte, desto mehr reizte sie diese Liebe. Es kam für sie vor allem darauf an, Friedemann an ihr Haus zu fesseln, ihn durch öftere, regelmäßigere Besuche stets in ihrer Nähe zu halten und doch jeglichen Schein zu vermeiden. -- Da kam ihr ein glücklicher Gedanke: Friedemann sollte ihrer siebzehnjährigen Tochter täglich eine Musikstunde geben. Das Mädchen war noch kindlich, unbedacht, erfahrungslos. Welch bessere Gelegenheit konnte es geben als die, mit der Dummheit der Tochter die Pläne der Mutter zu verbergen?!
    Brühl war mit dem Vorschlag seiner Gemahlin ganz einverstanden, und die Musikstunden begannen. Aber nach der fünften Stunde, die Friedemann der jungen Antonie, Komtesse von Kollowrat, erteilte, wurde er still und stiller, verlegen, einsilbig; er begann, sich strenger an die Pflicht des Unterrichts zu binden. Nach dieser fünften Stunde mußte sich Friedemann eingestehen, daß er seine Schülerin liebe.
    Und auch Antonie liebte Friedemann, liebte ihn schon, seitdem er vor zwei Jahren ins Haus kam. Hocherrötend war sie, als die erste Musikstunde begann, vor ihn getreten, hatte scheu, ängstlich und schüchtern seine Finger berührt. Friedemann konnte sich dieses seltsame Verhalten anfangs nicht erklären, bis ihn in einem günstigen Augenblick ein Blick von solcher Innigkeit, von solch durchglutetem Glück traf, daß er, plötzlich über Antonie und sich selbst wissend geworden, gleichen Liebesgruß entbot. Danach wurden sie äußerlich zurückhaltender gegeneinander, errichteten aber ihrem verschwiegenen Glück einen goldenen Hoffnungsschrein in ihrem Innern.
    Der

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