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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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Mutter Antonies konnte die merkwürdige Stille in Friedemanns Wesen nicht entgehen; aber weit davon entfernt, irgendwelchen Verdacht zu schöpfen, sah sie darin das unzweideutigste Zeichen der Gegenliebe. Ein Vorausgefühl der Wollust überkam sie, und sie stellte mit Genugtuung fest, daß Friedemanns betonte Zurückhaltung auch ihre Tochter zur Beobachtung allerstrengsten Abstandes herausgefordert hatte, obgleich sie schon den bloßen Gedanken als absurd verwarf, er könne vielleicht dem Mädchen -- oder Antonie ihm gefährlich werden.
    Aber gerade die Augen der Lebensunerfahrenen sahen am schärfsten. Sie hatte nicht nur in dem heißen Blicke Friedemanns die süße Gewißheit seiner Liebe erraten, sie hatte auch in der Seele ihrer Mutter gelesen. Sie erbebte.
    Es war ein herrlicher Wintertag. Ende März, und noch Schnee. Es würde weiße Ostern geben. Hell spiegelte sich die Morgensonne in den farbensprühenden Zapfen, die an Dächern und Simsen der Häuser hingen. Friedemann machte Toilette; er wollte ins Hotel Brühl, um seinen Unterricht zu geben.
    Friedemann war bleicher als gewöhnlich. Er hatte die letzten Nächte schlecht geschlafen: »Und wenn sie mich liebt, die Engelschöne, wenn sie mich wahrhaft liebt, warum soll ich schmachten und mich verzehren, warum soll ich nicht das süße ›Ja‹ von ihren Lippen hören? Bin ich denn so elend, so gering, daß der Wunsch nach ihrem Besitz vermessen wäre? Ist nicht die Ministerin mir Gönnerin und Freundin, wie's nie eine gab? Und wenn ich erst der Größte, der Allergrößte in meiner Kunst geworden bin, wenn mir in Bewunderung die Welt zu Füßen liegt, bin ich dann zu schlecht, der Schwiegersohn des Grafen Brühl zu heißen, der auch nur ein armer, unbeachteter Page war, als er zu streben anfing? Ich bin Friedemann Bach und des großen Sebastian Sohn! Ich wag's, und wenn zehnmal Mama dabeisitzt ... Doch nein, ich könnte sie verletzen, beleidigen! ... Es bleibt dabei: ich muß erst etwas geschaffen haben, was mir den Ruhm des schöpferischen Künstlers sichert, was mir ein Recht zu meiner Werbung gibt! Aber ein sicheres, unverfängliches Zeichen meiner Liebe muß ich ihr wenigstens geben! ... Wie gut nun, daß ich es immer umging, wenn die Ministerin mich ersuchte, ihr einmal ein Lied zu komponieren! Nun soll sie's hören! Das alte Lied, ›Willst du dein Herz mir schenken‹ will ich ihr singen, und wenn ich dann Antonie -- meine Antonie -- verstohlen ansehe, wird sie mich bestimmt verstehen!« -- --
    Als Friedemann an der Sophienkirche vorbeiging, kam eine wohlbekannte, dunkelgekleidete Gestalt an ihm vorbei. Sie wandte sich um, es war Ulrike. Friedemann wurde rot und grüßte. Das arme Mädchen mit dem stillen, schmerzlich lächelnden Zug um die Lippen grüßte ihn wieder und schritt vorbei zum Hause des Vaters. Friedemann stand still. Ein Krampf packte ihn, er mußte tief Atem holen, daß er nicht schrie. Dann ging er vorüber ...
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    Friedemann Bach und Komtesse Antonie saßen am reichvergoldeten Klavier und spielten eines jener vierhändigen Übungsstücke, die aufgegeben werden, um dem Schüler die Melodie leicht und angenehm zu machen und das Ohr an Harmonie zu gewöhnen. Die Ministerin saß auf einem Sessel, den sie so ans Instrument geschoben hatte, daß sie den beiden jungen Leuten ins Gesicht sehen konnte. Friedemann war heute aufgeregter und verlegener als sonst. Antonie merkte es sogleich; sie las in der Unbeherrschtheit seiner Züge, sie spürte am Zittern seiner Hände, die sie im Spiel berührte, daß der Geliebte heute ganz in der Verfassung war, eine Torheit zu begehen. Sie setzte sich daher in Bereitschaft, durch Geistesgegenwart die Gefahr abzuwenden, die der Unbedachte etwa heraufbeschwören würde.
    Die Übungsstunde war vorbei, der theoretische Unterricht begann. Friedemann nahm die erwünschte Gelegenheit, durch Lehre und Beispiel den ganzen Schatz seines künstlerischen Innern entfalten zu können, um so lieber wahr, als es ihm darum zu tun war, der Geliebten von der Würde und Weihe der Musik die allerhöchste Meinung beizubringen, ihr seine Kunst als die edelste Art der Dichtung darzustellen. Aus dem Lehrer wurde er darüber zum Dichter und riß, wie nie zuvor, seine Zuhörerinnen hin. »Ja, Komtesse, die Musik ist die Sprache, die Unnennbares sagt, die dort lebendig wird und unser Ohr mit süßem Schmeichelton umplaudert, wo der Verstand umsonst nach Worten hascht, wo das Herz, die innerste Seele selbst in einer Zunge redet, die

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