Friedemann Bach
es von der Schloßkirche eben neun Uhr. Die Tambours der Wache wirbelten den Zapfenstreich, und mit dem letzten Hall trat der diensttuende Offizier herein und überreichte dem König den Tagesrapport. Der überflog ihn mit schnellen, etwas gleichgültigen Blicken, stutzte aber freudig überrascht, als er in der Liste der angekommenen Fremden, die er persönlich zu überprüfen pflegte, um Spione, Unterhändler, Aufpasser fremder Mächte rechtzeitig zu erkennen, einen langersehnten Namen fand.
»Meine Herren«, sagte er zu den Musikern, »ich hätte heute wirklich gerne etwas aus Grauns neuer Oper gehört, aber wir werden uns den Genuß für ein andermal aufsparen: der alte Bach ist gekommen.«
»Mein Vater?!« rief Emanuel und sprang vom Stuhl auf.
»Ja, es ist Sein Vater, und der Bruder auch. Sie sind in Seiner Wohnung abgestiegen. Geh Er zu ihm, er soll gleich aufs Schloß kommen, hört Er? Gleich! Ich muß ihn sehen!«
Unruhig schritt der König auf und nieder, die Künstler flüsterten miteinander, Kirnberger und Agricola stießen sich in der frohen Erwartung, ihren verehrten Meister gleich wiederzusehen, heimlich in die Seiten.
»Nun, Ihr beide freut Euch auch wohl recht, daß der Alte kommt?«
»Ach gewiß, gar sehr, Majestät!« riefen beide zugleich.
»Ich bin neugierig, was aus Friedemann geworden ist«, bemerkte Graun; »in Merseburg versprach er viel.«
»Verspitz Er sich nicht auf zu Großes! Der Friedemann ist irritiert, er tut mir leid; er soll ein guter Organist sein.« Wieder ging der König sinnend auf und nieder. Alles war still. Endlich flogen die Flügeltüren auf, und Emanuel Bach führte freudestrahlend seinen Vater herein. Friedemann folgte blaß und etwas angegriffen. Das Auge des greisen Musikers begegnete dem Blick des Königs; er verneigte sich.
Friedrich reichte Bach die Hand: »Pfui, ist Er schlecht, daß Er so lange auf sich warten läßt! Weiß Er denn gar nicht, wieviel Freunde und Anbeter Er hier hat?«
»Majestät, daß ich nicht eher kam, war gewiß nicht meine Schuld.«
»Ja, ja, meine war's! Ich hätte Ihm eher die Husaren auf den Pelz schicken sollen.«
Sebastian lächelte: »Nicht doch, Majestät! Der liebe Gott war auch ein wenig schuld; der hat mir so mancherlei geschickt, daß ich nicht abkommen konnte.«
»Ja, ich weiß! -- Das ist also der Friedemann?«
Der junge Bach trat schüchtern vor und verbeugte sich.
»Er hat Unglück gehabt? Nun, Dresden ist nicht die Welt. Bedenk Er auch, daß der Schmerz den Künstler wie den Menschen erst reif macht. Er wird uns doch auch was von Seiner Geschicklichkeit sehen lassen?«
»Soviel ich vermag, Majestät!«
»Nun, Meister Sebastian, wenn Er von der Reise nicht allzusehr ermüdet ist, möchte ich Ihm gleich die neuen Silbermannschen Pianofortes zeigen, und wohl wissen, wie Er sie findet.«
»Zu Befehl, Majestät! In seiner Kunst darf man nimmer müde sein.«
Friedrich nahm Sebastian am Arm, und sie schritten, von der Hofgesellschaft begleitet, von Zimmer zu Zimmer. Wo eins der berühmten Pianos stand, bildete sich ein Kreis, und Sebastian prüfte durch seine schönen Variationen, die alle Zuhörer entzückten, die Güte des Instrumentes. Der König lachte vor Behagen. Als sämtliche Silbermanns durchgespielt waren, sagte Sebastian: »Der im grünen Pavillon, Majestät, ist der beste!«
»Wahrhaftig! Graun und Quanz meinen's auch.«
»Ein Beweis, daß die Herren gewiß keine schlechteren Ohren haben als ich. Die Instrumente sind alle vorzüglich, und es gehört schon ein eigenes Gefühl dazu, das beste herauszuhören. -- Wenn Majestät befehlen, wollen wir in den Pavillon zurückkehren, damit ich nach dem Probieren nun was Besseres spielen kann.«
»Wenn Er das bloß probieren nennt, dann gnade uns Gott, wenn Er ordentlich spielt; da werden wir bald einpacken müssen.«
»O, nicht doch! Die Berliner Musika verfolgt nur ein anderes Ziel als die meine. Beide Künste sind groß für sich. Ich werde nie eine Oper schreiben, wie Meister Graun, Majestät. Dazu gehören Dinge, die ich nicht habe und nimmermehr erlangen kann!«
»Das ist gewiß ein Künstler, der alte Bach, meine Herren, denn er ist bescheiden!« Friedrichs Auge ruhte mit Wohlgefallen auf Sebastian. »Laß Er also nun hören, was Ihn von Graun unterscheidet.«
Man begab sich in den Pavillon zurück. Der Hof ließ sich auf den bereitstehenden Sesseln nieder, Quanz, Graun und Salimbeni traten hinter Bachs Stuhl, der König beobachtete den alten
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