Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
Vom Netzwerk:
Meister.
    »Majestät sind selbst ein großer Musiker. Darf ich ergebenst bitten, mir ein Fugenthema zu geben?«
    »Ei, ei, Er ist ein Schalk! Will Er mich aufs Glatteis führen? -- Na, warte Er einen Augenblick! -- Quanz, die Flöte!«
    Der König besann sich einige Sekunden. Dann lächelte er in sich hinein, brachte das Instrument an die Lippen und gab das Thema: »b -- a -- c -- h«.
    Erschrocken starrte der alte Sebastian den Monarchen an, und ein Flüstern, leise wie ein Windhauch, ging durch die Reihen der Musiker. Nach und nach belebte sich das Gesicht des Alten; es erglühte, wurde durchzuckt von den Blitzen innerer Bewegung. »Und das soll ich spielen, Majestät?« fragte er stammelnd.
    »Spiele Er mir das, Er ist's wert!«
    B -- a -- c -- h ! Es war sein eigenes Leben, das er in Tönen malte, sein Streben, sein Traum vom Höchsten und das tragische Erkennen, daß doch alles hienieden, selbst das Schönste, nie ganz erreichbar ist. Die alte Memnonsklage zur Mutter Sonne war sein Gesang. -- Da hebt das sehnsuchtsvolle, bescheidene Herz sich auf und fliegt über des Daseins enge Schranke hin zu der Uridee des Idealen und ruht im Allschoße des Wissens, Tuns und Könnens ... doch hier ... ein
bach?
...
ach!
--
    Wie zündende Lohe fuhr's durch die Versammlung. Tiefe Rührung zuckte über des Königs Antlitz, und, Sebastians Hände heftig schüttelnd, sagte er: »Ich danke Ihm! Er ist doch der König unter uns allen! Bei Gott, das Instrument soll kein Mensch mehr spielen als nur der alte Bach. Ich schenke es Ihm; Er soll es von Friedrich als Andenken an diese Stunde behalten.«
    »Tausend Dank, Majestät! Sie ehren mich gar hoch!«
    In den nächsten Tagen, in denen der König selbst Meister Bach in die verschiedenen Kirchen Potsdams führen wollte, um ihn spielen zu hören, hatte das Städtchen den Anstrich des Festlichen, Sonntäglichen. Die Leute strömten schon am frühen Morgen ins Gotteshaus, um sich einen guten Platz zu sichern, und sogar die Königin-Mutter und die Königin mit ihrem Hofstaat waren von Berlin und Schönhausen gekommen.
    Vor dem ersten Konzert, das um zwei Uhr beginnen sollte, versammelte sich die Elite der Tonkünstler bei Graun, der dem alten Bach und seinen Söhnen ein Frühstück gab. Und nie in seinem Leben war Sebastian so selig und frisch wie heute; es war, als ob des Greises jugendliche Urkraft sich noch einmal in ihrer vollen Größe entfalten wollte.
    »Meister Graun, ich habe mir sagen lassen, daß ich Euch in der Aufführung verschiedener Stücke aus Eurer Oper ›Cinna‹ gestört habe, als ich kam. Wann denkt Ihr sie herauszubringen?«
    »Nächsten Sonntag, Meister Sebastian.«
    »Das sind freilich noch sechs Tage, und die Leipziger werden schimpfen. Schadet aber nichts! Ich bleibe, ich muß sie doch auch hören und helfen, Euern Triumph zu feiern. Meine Herren, der gute, vortreffliche Graun: hoch! Vivat hoch!«
    Die Gläser klangen; in wechselndem Gedankenaustausch, bei frohen Scherzen, Erinnerungen aus alter Zeit und mancher musikalischen Köstlichkeit, die der eine oder andere aus freiem Antrieb auf dem Klavier zum besten gab, verging die Zeit.
    »Kinder«, sagte Sebastian, »ihr macht doch verteufelt schöne Musik hier! Mir scheint, als ob in Berlin ein tüchtiger Kern säße, der nicht bloß dem Rameau oder den Italienern nachbetet, sondern ein Stück eigene, deutsche Musik machen kann. Ich bin auf den ›Cinna‹ neugierig! Aber, wie wär's, Mamsell Astrua, wenn ich Ihre Goldstimme schon vorher einmal hören dürfte? Haben Sie nichts Leichtes, das meinem alten Ohr glatt eingeht? -- Oder halt, mir fällt was ein! Wollten Sie wohl einmal ein kleines Stück probieren, das ich bei mir habe?«
    »Mit Vergnügen, lieber Herr Bach!« sagte die Astrua lebhaft, nahm das Notenblatt und ging zum Instrument.
    Alle wandten sich der Sängerin zu, und Sebastians Auge suchte das seines Ältesten. Der saß beiseite, in einen Sessel gelehnt, und starrte unbeteiligt ins Leere. Der finstere Geist von ehemals war wieder über ihn gekommen; denn so sehr er sich auch über die Aufmerksamkeiten und Ehrungen, die seinem Vater in so überreichem Maß zuteil wurden, freute, so sehr kam ihm zum Bewußtsein, wie weit er selbst noch von solchem Ruhm entfernt, wie bedeutungslos er war.
    Plötzlich merkte er auf, kehrte sich hastig, fast erschrocken der Sängerin zu, aus deren Mund es zart und weich, überirdisch schön erklang: »Kein Hälmlein wächst auf Erden ...«
    So hatte er es nie gehört, sein

Weitere Kostenlose Bücher