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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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Mutmaßungen über das Verschwinden des tollen Musikers in den Ohren lag, die Empörten: »Aber, Leute, das ist doch alles Unsinn! Gewiß, der Doktor Cardin ist ein Grobian und ein komischer Kauz, sonst aber ein guter Kerl und harmloser Mensch!« Aber er fand kein williges Gehör, und er konnte es nicht verhindern, daß eine Klage an das Hochpeinliche Halsgericht eingereicht wurde.
    Einige Wochen vergingen, dann traf die Untersuchungskommission ein. Die drei Richter wählten den Bürgermeister zum Beisitzer, vernahmen die Zeugen, ließen sich genau den Weg zeigen, den Friedemann gegangen war, und begaben sich darauf zum Hause Cardins.
    Die prächtigen Anlagen erweckten die Bewunderung der Beamten, und sie konnten sich nicht enthalten, diesen reizenden Landsitz laut zu preisen. Die Villa hatte nur einen Eingang, der verschlossen war. Sie zogen die Schelle, und nach einigen Minuten zeigte sich das hübsche Gesicht Trudes: »Was wellen Sie?«
    »Die Kommissare des Kriminalgerichts wollen Doktor Cardin sprechen!« -- »Treten Sie ein und warten Sie!«
    Sie kamen in eine Vorhalle, die leer, ohne Fenster und von oben erleuchtet war. Drei Türen von schwarzglänzendem Holz lagen nebeneinander und starrten schreckhaft aus der weißen, kahlen Wand. Über der Mitteltür stand mit griechischen Lettern »Daimon«. Mitten in der Halle lag eine steinerne Sphinx, die einen Spiegel in der rechten Klaue hielt. Entsetzt ließen die Arnstädter Zeugen einen weiten Kreis um das Ungeheuer frei.
    Cardin kam, in einen seidenen Schlafrock gehüllt, mit wohlgepuderter Perücke, lächelnd, mit graziöser Handbewegung grüßend, herein und fragte die Kommissare nach ihren Wünschen. -- Feierlich wurde das Protokoll verlesen, schien aber auf den Verdächtigten keinerlei Eindruck zu machen. Er verbeugte sich ruhig und sagte: »Es wird also behauptet, meine Herren, daß der Fremde wahnsinnig war und daß er hier bei mir verschwand! Lassen Sie uns nachsehen!«
    Cardin öffnete die Mitteltüre. In einem vornehm-behaglich eingerichteten Zimmer lag, hinter einem Tisch voller Bücher gemütlich in einen Sessel gestreckt, der verschwundene Friedemann Bach.
    »Komm' doch, bitte, einen Augenblick herein!«
    »Was soll das bedeuten, Doktor?« fragte er zurück und trat erstaunt näher.
    »Die guten Arnstädter glauben, daß ich dich an mich gelockt und ermordet, zumindest aber dem Teufel verkauft habe. Und das sind die Herren Kriminalkommissare von Sondershausen, die sich überzeugen wollen.«
    »Danke für die gütige Nachfrage! Und hier meine Erklärung: die Bürger von Arnstadt sind Hornochsen, und Doktor Cardin hat mich nicht nur dem Elend und der Armut entrissen, sondern mir auch meinen Verstand wiedergegeben! Ich befinde mich hier sehr wohl und werde mit meinem Willen bestimmt nicht weggehen. Guten Morgen!«
    Die Arnstädter entfernten sich mit langen Gesichtern, und die Herren Kriminalisten, die auf Cardins Kosten im Gasthof ein reiches Diner vorfanden, reisten ab, indem sie den Zeugen den guten Rat gaben, in Zukunft lieber »das Maul zu halten«.
    Cardin kehrte zu Friedemann zurück. »Willst du noch einen besseren Beleg für die Erbärmlichkeit der Menschen? Sieh, ich wußte, daß mir unter Umständen die Tortur bevorstand, aber ich sagte dir nichts, um dich den vollen Eindruck dieser Erbärmlichkeit empfinden zu lassen. Nicht der Wahrheitsbeweis hat mich nämlich geschützt, sondern lediglich der Umstand, daß ich Geld habe und daß es mir möglich war, der Regierung in Sondershausen den einen und anderen an mich gerichteten Brief Diderors und Voltaires vorzulegen, freundschaftliche Zeugnisse berühmter Männer, die mich ins rechte Licht setzten.«
    »Der Haß dieser Menschen ist unerklärlich!«
    »Mir, mein Sohn, ist er's nicht! Daran ist die Erbsünde schuld, die Dummheit, die sie mit sich herumschleppen. Dummheit und Langeweile brachten den Menschen von jeher dazu, die Freiheit anderer zu gefährden. Weil es ihm an Kraft fehlt, sie für sich selber zu beanspruchen, will er sie auch anderen nicht gönnen. Er bekümmert sich um unsere Moralität, unser Seelenheil, um das, was wir tun und unterlassen sollen, aber um sich selber kümmert er sich nicht. Ich sage dir: je weniger du dich um andere Menschen bekümmerst, desto freier bist du! Ob du sie beherrschst oder von ihnen beherrscht wirst, ist dabei gleichgültig; immer hast du mit ihnen zu tun, und das ist genug, dir das Leben zu verleiden!«
    »Es ist wahr, je mehr man mit sich allein ist,

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