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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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er hat meine Mutter schon auf dem Halse. Nun hab' ich gehört, daß Ihr an zwei Kirchen Organist seid. Könnt Ihr mir vielleicht Beschäftigung geben?«
    »So weit seid Ihr also herunter ... hm ... gekommen? Habt doch in Dresden und Halle ein so schönes Amt gehabt, und nun wollt Ihr in Arnstadt handlangern?«
    »Das geht Euch alles nichts an! Ich frage Euch, ob Ihr mir Arbeit geben könnt. Ja oder Nein? Almosen brauche ich nicht!«
    »Nein!«
    »So hol Euch der Teufel, Halunke! -- Alles, was Ihr jämmerlicher Kerl geworden seid, verdankt Ihr den Bachs! Wenn Ihr Ehre im Leib hättet, müßtet Ihr mir helfen und nicht fragen! Haltet's Maul, ein Halunke seid Ihr!«
    Hastig trat er aus dem Hause, und zwischen Häusern und Gehöften hindurch klomm er den Berg empor. Der Wahnsinn sprach heimlich wieder aus seinen Zügen, und wie er so dahinschritt auf dem schmalen Weg, nicht achtend, wo er ging, klang seine Violine in solch furchtbaren Melodien, daß die Leute erschreckt aus den Häusern fuhren und dem Unhold nachstierten. Immer weiter ging er, immer mehr sank die Sonne, immer einsamer wurde es um ihn. Plötzlich, etwa vierzig Schritt vor ihm, trat ein Mann unter den Bäumen hervor und winkte ihm. Er folgte ihm mit dem Instinkt eines Tieres und trat am Ende der Wanderung in ein kleines Zimmer ein, das von Kerzen erhellt und mit seltenem Luxus ausgestattet war. Matt sank er auf den Diwan. Vor ihm standen Früchte und andere Speisen; mit der Hast eines begehrlichen Kindes und dem Heißhunger eines Verschmachtenden griff er zu.
    »Mich dürstet!« -- Der Fremde reichte ihm ein Glas mit einer herb duftenden, dunkelroten Flüssigkeit. Friedemann leerte es in einem Zuge. Wenige Minuten später sank er in sich zusammen und fiel in einen tiefen Schlaf. Der Hausherr schellte und befahl den Eintretenden: »Bringt ihn zu Bett in meinem Zimmer. Heute nacht wacht einer von euch! Vorwärts!«
    Einige Wochen vergingen.
    Viele der Arnstädter Kleinbürger, die beobachtet hatten, wie Friedemann von Doktor Cardin, einem Manne, der ihnen schon längst unheimlich und verdächtig vorkam, in sein Haus geführt wurde, warteten täglich, aber täglich vergebens, auf eine Rückkehr. »Der verrückte Kerl mit seiner Violine«, flüsterten sie sich zu, »ist von dem Alchimisten sicher gemordet worden; er braucht Menschenfleisch und Blut, um Gold zu machen.« -- »Oder er hat ihn dem Teufel verschrieben, damit er selber noch Frist bekommt.« -- »Ganz gewiß! Er ist ein Seelenverkäufer, ein Hexenpater, ein Satanspriester ist er!«
    Doktor Cardin war Franzose. Er war vor einigen Jahren in Arnstadt aufgetaucht, hatte, ohne sich um die Neugierde der Leute zu kümmern, ohne jemals das Wort an sie zu richten, die ganze Stadt durchstöbert und die Umgebung kreuz und quer abgestreift. Nach Verlauf einer Woche teilte er dann dem Bürgermeister mit, daß er das Anwesen eines Gärtners, das mit Obstbäumen, Weinstöcken und Hopfengelände einen kleinen Hügel vollständig bedeckte, käuflich erworben habe; gleichzeitig beauftragte er ihn, der der einzige Architekt des Städtchens war, mit umfangreichen Neu- und Umbauten. Er zahlte prompt und großzügig. Bald stand eine kleine Villa, fast schon ein Schlößchen, inmitten eines großen, wohlangelegten Gartens, und aus der Fremde trafen kostbare Möbel ein und Kisten mit Büchern, Einrichtungsgegenständen und Gerätschaften nie gesehener Art. Zu seiner Bedienung behielt er die beiden Knechte des vorigen Besitzers bei und ließ ihnen zur Wohnung zwei kleine Häuser am Eingang zum Garten bauen.
    Cardin verließ seine Besitzung, auf der er einsam und unzugänglich hauste, nur selten. Nie ging er in die Kirche, bezeigte vielmehr eine solche Verachtung gegen die Religion, daß ihm die gottesfürchtigen Arnstädter schnell aufsässig wurden. Er vergalt ihr Benehmen mit rücksichtsloser Grobheit; und als er erfuhr, daß seine Mitbürger aus seiner Lebensart, zu der es auch gehörte, in seinem Studierzimmer nächtelang Licht zu brennen, abergläubische Schlüsse zogen, spielte er ihnen Possen auf Possen, jagte er ihnen Schreck auf Schreck ein. So kam er in den Ruf eines Alchimisten und Hexenmeisters, der es mit der öffentlichen Meinung vollends verdarb, als bekannt wurde, daß er mit der Tochter des einen Knechtes, der ebenso schönen wie leichtfertigen Trude, in wilder Ehe lebte.
    Nur der Bürgermeister-Architekt hielt dem Fremden immer die Stange, und so beruhigte er auch jetzt, als ihm die Bürgerschaft mit ihren

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