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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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war. Im Kopf war nur eine Aura der Unwahrscheinlichkeit zurückgeblieben, die ich nicht in Worte fassen konnte und daher in meinem Bericht nicht erwähnt hatte. Alarmierendes war mir dort nicht vorgekommen, zumindest schien es mir so. Keinerlei Komplott, keine Mobilmachung, keine gegen die Erde gerichtete strategische Verschwörung. Das hatte ich als gewiß empfunden. Konnte ich jedoch schwören, daß das, was ich fühlte und wußte, auch alles war? Daß sie nicht noch mehr wußte?
    Tarantoga blickte mich hin und wieder von der Seite an, sagte aber nichts. Wie bei jedem Flug nach Osten (wir hatten unter uns den Pazifik) kam der Kalender ins Stottern und ließ einen Tag aus. Die Fluggesellschaft sparte an ihren Gästen, wir bekamen nur ein Brathähnchen mit Salat. Das war kurz vor der Landung, die am frühen Nachmittag erfolgte – in Miami, wie sich erwies. Die Hunde vom Zoll beschnüffelten unsere Koffer, dann traten wir ins Freie, zu warm angezogen, in Melbourne war es viel kühler gewesen. Ein Auto ohne Fahrer stand für uns bereit, Tarantoga mußte es schon von Australien aus bestellt haben. Wir luden das Gepäck in den Kofferraum und fuhren los. Auf dem Highway herrschte starker Verkehr, wir sprachen nicht miteinander, denn ich hatte den Professor gebeten, mir nicht einmal das Ziel unserer Fahrt zu nennen. Diese Vorsicht mochte übertrieben oder gar überflüssig sein, aber ich wollte dieser Regel folgen, solange ich keine bessere fand. Übrigens brauchte mir keiner zu sagen, wo wir nach reichlich zwei Stunden von einer Seitenstraße aus vorfuhren. Das große weiße Gebäude, umgeben von kleineren Pavillons inmitten von Palmen und Kakteen, sprach für sich: Mein vertrauter Freund hatte mich in eine Irrenanstalt gebracht. Ich hielt das nicht einmal für die schlechteste Zuflucht. Im Auto hatte ich absichtlich den Rücksitz eingenommen, um zu beobachten, ob niemand uns verfolgte. Mir kam gar nicht in den Sinn, daß ich bereits eine so wichtige und geradezu hochkarätige Person sein könne, die man weniger konventionell als in einem Spionageroman überwacht. Von einem modernen künstlichen Satelliten aus kann man nicht nur Autos beobachten, sondern sogar Streichhölzer zählen, die jemand auf einem Gartentisch verstreut hat. Das kam mir aber nicht in den Kopf, genauer gesagt, nicht in die Hälfte, der auch ohne Zuhilfenahme der Taubstummensprache begreiflich zu machen war, in welcher Sache der arme Ijon Tichy bis zum Halse steckte.

II. Eingeweiht
    In die schlimmste Verlegenheit meines Lebens war ich ganz zufällig geraten, als ich nach meiner Rückkehr von der Entia Professor Tarantoga besuchen wollte. Ich traf ihn nicht zu Hause an, er war nach Australien geflogen. Zwar wollte er in wenigen Tagen zurück sein, da er aber eine seltene Primel züchtete, die viel Wasser brauchte, hatte er für die kurze Zeit seinen Cousin in der Wohnung einquartiert. Es war ein anderer als der, der die Klosetts weltweit nach Wandsprüchen durchforscht, Tarantoga hat eine Menge Cousins, und der hier befaßte sich mit Paläobotanik. Ich sah ihn zum erstenmal, er empfing mich im Hausmantel und ohne Hose, in die Schreibmaschine war ein Bogen Papier gespannt, ich wollte gleich wieder gehen, aber er ließ es nicht zu. Ich störe ihn durchaus nicht, sagte er, im Gegenteil, ich sei gerade zur rechten Zeit gekommen. Er schreibe nämlich ein schwieriges, bahnbrechendes Werk und könne seine Gedanken am besten sammeln, wenn er den Inhalt des gerade in Arbeit befindlichen Kapitels selbst dem zufälligsten Hörer erzähle. Ich fürchtete, er schreibe ein Buch über Botanik und werde mir den Gehirnkasten mit Knollen, Stauden und Fruchtknoten kompostieren, aber das trat zum Glück nicht ein, ich war sogar einigermaßen frappiert. Seit dem Frührot der Geschichte müssen sich, so meinte er, unter den wilden Stämmen der Urmenschen verschiedene Originale herumgetrieben haben, die unvermeidlich für verrückt gehalten wurden, weil sie alles zu essen versuchten, was ihnen vor Augen kam: alle möglichen Blätter, Knollen, Triebe und Stengel, frische und dürre Wurzeln. Angesichts der Vielzahl giftiger Pflanzen müssen sie gestorben sein wie die Fliegen, aber es gab immer wieder Nonkonformisten, die sich nicht abschrecken ließen und das gefährliche Werk weiterführten. Nur ihnen ist es zu danken, wenn wir heute wissen, daß Spargel und Spinat die Küchenarbeit lohnt, daß Lorbeerblatt und Muskatnuß zu etwas taugen, während man die Tollkirsche

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