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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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herausbekommen? Daß eine solche Vermutung meine Loyalität beeinträchtigt?«
    »Scheinbar ja«, antwortete Castor Oil widerwillig anstelle seines Bruders. »Der Rückgang deiner Loyalität ist jedoch nach einer Szene wie eben DIESER (die ja auch programmiert werden mußte) eine auf Null fallende Folge.«
    »Aha«, machte ich, rieb mir die Nase und nahm den Helm von der rechten auf die linke Seite. »DAS verringert also HIER und JETZT die mathematische Erwartung des Rückgangs meiner Loyalität?«
    »Ja freilich«, sagte er, sein Bruder aber sah mir zärtlich und forschend zugleich in die Augen und meinte: »Du merkst es doch selber …«
    »Tatsächlich«, brummte ich, weil ich nicht ohne Verwunderung feststellte, daß sie und ihr Computer bei diesen psychologischen Berechnungen recht hatten: Meine Wut auf sie war zusehends geschwunden.
    Über dem Ausgang zum Flugfeld des Kosmodroms leuchtete eine grüne Signallampe auf, gleichzeitig ließ sich ein Summton vernehmen zum Zeichen, daß der Defekt behoben war und ich wieder in die Rakete kriechen konnte. Wortlos machte ich kehrt und mich in Begleitung all dieser Herren auf den Weg. Dabei dachte ich nach, welche Pointe die ganze Geschichte haben würde. Ich greife vor, aber da ich einmal begonnen habe, muß ich auch schließen. Als ich die stationäre Erdumlaufbahn verlassen hatte und sie mir einen Schmarren anhaben konnten, antwortete ich auf die Frage nach meinem Befinden, dieses sei vorzüglich, ich überlege nämlich gerade, ob ich mich nicht mit dem Mondstaat verbrüdern sollte, um einigen Bekannten auf der Erde das Fell zu gerben. Wie falsch ihr Gelächter in meinem Kopfhörer klang!
    Das alles aber war erst nach den Besuchen auf dem Übungsgelände, wo Mondbedingungen simuliert wurden, und nach der Besichtigung der Gynandroics Corporation. Dieses gigantische Unternehmen hatte mit seinen Umsätzen sogar schon die International Business Machines überflügelt, obgleich es als deren bescheidener Ableger entstanden war. Ich muß hier erklären, daß die Gynandroics entgegen allen landläufigen Meinungen weder Roboter noch Androiden produziert, sofern man darunter Puppen von Menschengestalt und einer nach menschlichem Vorbild gestalteten Psyche versteht. Eine vollkommene Simulierung der menschlichen Bewußtseinsstruktur ist nahezu unmöglich – die Computer der achtzigsten und aller folgenden Generationen sind zwar intelligenter als wir, aber ihr geistiges Leben erinnert in nichts an das des Menschen. Der normale Mensch ist ein überaus unlogisches Geschöpf, und darin besteht sein Menschentum. Seine Vernunft ist stark verunreinigt durch Vorurteile, Emotionen und Überzeugungen, die seiner Kindheit oder den Genen seiner Eltern entstammen. Daher kann ein Roboter, der sich (beispielsweise per Telefon) für einen Menschen ausgibt, von einem Fachmann relativ leicht enttarnt werden. Trotz dieses grundsätzlichen Einwands produzierte die berüchtigte SEX INDUSTRY zur Sondierung des Marktes kurze Serien sogenannter S-DOLLS (die einen behaupten, es handle sich um SEX DOLLS, Puppen für Liebesspiele, andere meinten, es seien SEDUCTIVE DOLLS, kokette Verführerinnen oder vielmehr verführerische Kokotten aus neuen Kunststoffen, die den biologischen so verwandt waren, daß man sie in der Chirurgie für Hauttransplantationen nach Verbrennungen verwendete).
    Diese femmes de compagnie fanden keinen Absatz. Sie waren allzu LOGISCH, zu klug – der Mann, der sich mit solch einer Intelligenzbestie einließ, bekam Minderwertigkeitskomplexe – und viel zu teuer. Wer sich solch eine Konkubine leisten konnte (die billigsten, made in Japan, kosteten über 90 000 Dollar das Stück, örtliche Gebühren und Luxussteuer nicht gerechnet), konnte jederzeit auch preiswertere Romanzen mit natürlichen Partnerinnen pflegen. Den Durchbruch auf dem Markt schafften erst die weiblichen Sendlinge oder »Hohlkörper«. Das sind ebenfalls Puppen, die eine ideale Ähnlichkeit mit Frauen aufweisen, aber »leer«, das heißt hirnlos sind. (Ich bin kein Misogyn, und wenn ich »hirnlos« sage, will ich damit nicht verschiedenen Weiningers den Unsinn nachschwatzen, wonach das schöne Geschlecht keine Vernunft habe, sondern ich meine es ganz wörtlich: Sendlinge, ob maskulin oder feminin, sind schließlich vom Menschen gesteuerte Puppen, also leere Hüllen.)
    Um sich in den Sendling des jeweiligen Geschlechts zu versetzen, brauchte man nur in einen Anzug mit einer Masse eingenähter, der Haut anliegender

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