Friedhof der Kuscheltiere
ihre Worte.
»Ein Ei oder zwei?« rief Rachel.
Louis schlug die Decken zurück und schwang die Füße auf die Knoten des Häkelteppichs, im Begriff, ihr zu sagen, er verzichtete auf die Eier, nur eine Schüssel Cornflakes, dann müßte er los... aber die Worte blieben ihm in der Kehle stecken.
An seinen Füßen klebten Schlamm und Kiefernnadeln.
Das Herz schnellte ihm in die Kehle wie ein Springteufel aus der Schachtel. Mit raschen Bewegungen, vorstehenden Augen, in eine unempfindliche Zunge geschlagenen Zähnen strampelte er die Decken beiseite. Das Fußende des Bettes war mit Nadeln übersät, die Laken waren verschmutzt.
»Louis?«
Er entdeckte ein paar Kiefernnadeln, die sich auf sein Knie verirrt hatten, und dann warf er einen Blick auf seinen rechten Arm. Da war ein Kratzer auf dem Bizeps, ein frischer Kratzer, genau dort, wo ihn der tote Ast getroffen hatte -- im Traum.
Gleich schreie ich. Ich spüre es.
Und er spürte es wahrhaftig; es stieg dröhnend in ihm auf, nichts Geringeres als eine große, kalte Kugel aus Angst. Die Wirklichkeit schimmerte durch. Die Wirklichkeit -- die wirkliche Wirklichkeit --, das waren die Nadeln, der Schmutz auf den Laken, der blutige Kratzer an seinem Arm.
Gleich schreie ich, und dann werde ich wahnsinnig und brauche mir darüber keine Gedanken mehr zu machen.
»Louis?« Rachel kam die Treppe herauf. »Louis, bist du wieder eingeschlafen?«
Louis rang um Fassung in diesen zwei oder drei Sekunden; er versuchte ebenso gewaltsam, sich selbst wiederzufinden, wie in dem chaotischen Augenblick, als man den sterbenden Pascow in einer Decke in die Krankenstation gebracht hatte. Er schaffte es. Der Gedanke, der den Ausschlag gab, war der, daß sie ihn nicht so sehen durfte, den Schmutz und die Nadeln an seinen Füßen, die fortgestrampelten Decken, das schlammbeschmierte Laken.
»Ich bin wach«, rief er unbeschwert. Seine Zunge blutete vom plötzlichen, unwillkürlichen Zusammenbeißen seiner Zähne. Seine Gedanken wirbelten im Kreis herum, und irgendwo tief in seinem Innern, weit entfernt von bewußtem Handeln, fragte er sich, ob er schon immer in der Reichweite derart irrsinniger Unvernunft gelebt hatte; und ob das für alle Menschen galt.
»Ein Ei oder zwei?« Sie war auf der zweiten oder dritten Stufe stehengeblieben. Gott sei Dank.
»Zwei«, sagte er, fast ohne sich dessen bewußt zu sein. »Als Rührei.«
»Gut für dich«, sagte sie und ging wieder hinunter.
Erleichtert schloß er für einen Moment die Augen, aber in der Dunkelheit sah er Pascows silberne Augen. Er riß die Augen wieder auf und begann sich hastig zu bewegen; für alle weiteren Gedanken war später noch Zeit. Er riß das Bettzeug herunter. Die Decken waren in Ordnung. Er zog die beiden Laken heraus, knüllte sie zusammen, trug sie auf den Flur und warf sie in den Wäscheschacht.
Fast rennend stürmte er ins Badezimmer, riß den Brausehebel herum, trat, ohne es wahrzunehmen, unter fast kochendheißes Wasser und wusch sich den Schmutz von Beinen und Füßen.
Er begann sich besser zu fühlen, seiner selbst sicherer. Als er sich abtrocknete, kam ihm der Gedanke, daß so einem Mörder zumute war, nachdem er sich aller Beweisstücke entledigt hatte. Er begann zu lachen. Er trocknete sich weiter ab, aber er lachte auch weiter. Es war, als wäre er nicht imstande, damit aufzuhören.
»He, du da oben«, rief Rachel. »Was ist denn so komisch?«
»Nur ein Witz«, rief er zurück, immer noch lachend. Er hatte Angst, aber die Angst stoppte das Lachen nicht. Das Lachen stieg aus seinem Magen auf, der so hart war wie Steine in einer Mauer. Dann fiel ihm ein, daß er nichts Besseres hätte tun können, als die Laken in den Wäscheschacht zu werfen. Missy Dandridge kam fünf Tage die Woche, um zu putzen, Staub zu saugen -- und die Wäsche zu waschen. Rachel würde die Laken überhaupt nicht zu Gesicht bekommen, bis sie sie wieder aufs Bett legte -- sauber. Es konnte zwar sein, daß Missy es Rachel gegenüber erwähnte, aber er glaubte es nicht. Wahrscheinlich würde sie ihrem Mann zuflüstern, die Creeds trieben im Bett merkwürdige Spiele, bei denen sie anstelle von Körperfarbe Schlamm und Kiefernnadeln benutzten.
Dieser Gedanke brachte Louis noch heftiger zum Lachen.
Das letzte Kichern und Gluckern trocknete aus, als er sich anzog; danach fühlte er sich ein wenig besser. Wie das möglich war, wußte er nicht, aber es war so. Von dem abgezogenen Bett abgesehen, sah das Zimmer wieder normal aus. Er war das
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