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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sagte er. Er hätte ausführlicher auf die Frage eingehen können, stellte jedoch fest, daß es belanglos war. Das alles fühlte sich falsch an, gleichzeitig jedoch richtig, und er beschloß, es fürs erste dabei zu belassen. Im Grunde gab es nur eine Sache, die er wissen mußte. »Kann ich hier wirklich ein Grab ausheben? Die Erde sieht so dünn aus.« Louis deutete mit einem Nicken auf die Stelle, wo der Fels neben den Stufen bloßlag.
    Jud nickte langsam. »Doch«, sagte er. »Der Boden ist zwar dünn, aber Boden, der so tief ist, daß Gras daraufwächst, ist auch tief genug, um etwas darin zu begraben, Louis. Und hier sind schon seit langer, langer Zeit Gräber ausgehoben worden. Es ist allerdings etwas mühsam.«
    Das war es in der Tat. Der Boden war hart und steinig, und er stellte bald fest, daß er die Hacke brauchte, um ein Grab ausheben zu können, das für Church tief genug war. Daraufhin wechselte er ab, lockerte zuerst mit der Hacke die harte Erde und die Steine und ergriff dann die Schaufel, um das Gelockerte herauszuwerfen. Seine Hände begannen zu schmerzen. Sein Körper erwärmte sich wieder. Er empfand ein starkes, eindeutiges Verlangen danach, gute Arbeit zu leisten. Er begann fast lautlos zu summen, wie er es gelegentlich beim Nähen einer Wunde tat. Gelegentlich traf die Hacke so hart auf einen Stein, daß Funken flogen, und der Aufprall wanderte den Holzstiel herauf und ließ seine Hände vibrieren. Er spürte, wie sich Blasen auf seinen Handflächen bildeten, und es war ihm gleichgültig, obwohl er gewöhnlich wie die meisten Ärzte sehr auf seine Hände achtgab. Über ihm und um ihn herum heulte der Wind und spielte eine Melodie in den Bäumen.
    Als Kontrapunkt dazu hörte er das leise Poltern von Steinen. Er blickte über die Schulter und sah, daß Jud sich niedergehockt hatte, von den Steinen, die er herausbefördert hatte, die größeren aussuchte und auf einen Haufen warf.
    »Für Ihr Grabmal«, sagte er, als er Louis' Blick bemerkte.
    »Oh«, sagte Louis und machte sich wieder an die Arbeit.
    Er grub ein Grab von gut einem halben Meter Breite und etwa einem Meter Länge -- ein Cadillac von einem Grab für einen blöden Kater, dachte er --, und als es etwa dreiviertel Meter tief war und die Hacke bei fast jedem Hieb Funken stieben ließ, warf er Hacke und Schaufel beiseite und fragte Jud, ob es so in Ordnung wäre.
    Jud erhob sich und warf einen flüchtigen Blick darauf. »Scheint gut zu sein«, sagte er. »Aber es kommt nur darauf an, was Sie denken.«
    »Würden Sie mir jetzt sagen, was das alles zu bedeuten hat?«
    Jud lächelte ein wenig. »Die Micmac hielten diesen Hügel für einen magischen Ort«, sagte er. »Sie glaubten, der ganze Wald nördlich und östlich des Sumpfes wäre ein magischer Ort. Sie legten diesen Platz an und begruben hier ihre Toten, abseits von allem Lebenden. Die anderen Stämme hielten sich fern -- die Penobscot sagten, in diesen Wäldern wimmele es von Geistern. Später sagten die Pelzhändler so ungefähr dasselbe. Vermutlich sahen einige von ihnen die Irrlichter im Moor der Kleinen Götter und glaubten, Gespenster zu sehen.«
    Jud lächelte, und Louis dachte: Das ist ganz und gar nicht das, was du denkst.
    »Später kamen nicht einmal die Micmac selbst hierher. Einer von ihnen behauptete, er hätte einen Wendigo gesehen, und der Boden wäre sauer geworden. Sie hielten ein großes Palaver darüber -- jedenfalls war das die Geschichte, die ich hörte, als ich noch ein grüner Junge war, Louis, aber ich hörte sie von dem alten Säufer Stanny B. -- so nannten wir Stanley Bouchard immer --, und Stanny B. war einer, der erfand, was er nicht wußte.«
    Louis, der nur wußte, daß der Wendigo, wie es hieß, zu den Geistern des Nordens gehörte, sagte: »Glauben Sie, daß der Boden sauer geworden ist?«
    Jud lächelte -- zumindest verzogen sich seine Lippen. »Ich glaube, daß es ein gefährlicher Ort ist«, sagte er leise, »aber nicht für Katzen, Hunde und Hamster. Und nun begraben Sie Ihr Tier, Louis.«
    Louis senkte den Müllbeutel in die Grube und schaufelte langsam die Erde darauf. Er fror jetzt und war erschöpft. Das Poltern des Erdreichs auf den Kunststoff war ein beklemmendes Geräusch, und obwohl er nicht bedauerte, hier heraufgekommen zu sein, verließ ihn das Gefühl der Begeisterung; er wünschte sich, das Abenteuer wäre überstanden. Der Heimweg war lang.
    Das polternde Geräusch wurde dumpfer und hörte dann auf -- jetzt fiel nur noch Erde auf

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