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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Freizeichen.
    Das war Rachel dachte er. Ich muß zurückrufen.
    Aber plötzlich erschien es ihm viel zu mühsam, die Nummer zu wählen, einen unbeholfenen Tanz mit ihrer Mutter aufzuführen -- oder, noch schlimmer, ihrem scheckbuchschwenkenden Vater --, um dann an Rachel weitergegeben zu werden -- und an Ellie. Ellie würde natürlich noch wach sein; in Chicago war es eine Stunde früher. Ellie würde ihn fragen, wie es Church ging.
    Großartig geht es ihm. Wurde von einem Orinco-Laster überfahren. Irgendwie bin ich völlig sicher, daß es ein Orinco-Laster war. Wäre es anders, wo bliebe dann die dramatische Konsequenz -- wenn du verstehst, was ich meine? Du verstehst es nicht? Macht nichts. Der Laster tötete ihn, aber es war kaum etwas zu sehen. Jud und ich haben ihn oben auf dem alten Begräbnisplatz der Micmac begraben -- eine Art Anhang zum Tierfriedhof, du verstehst? Ein toller Spaziergang, Kleines. Bei Gelegenheit nehme ich dich mit dort hinauf, und dann legen wir Blumen neben seine Gedenktafel -- entschuldige, sein Grabmal. Natürlich erst, wenn der Schwimmsand gefroren ist und die Bären sich zum Winterschlaf verkrochen haben.
    Er legte den Hörer auf, trat an die Spüle und füllte das Becken mit heißem Wasser. Er zog das Hemd aus und wusch sich. Trotz der Kälte hatte er geschwitzt wie ein Schwein, und genau so roch er auch.
    Im Kühlschrank war noch ein Rest Hackbraten. Louis schnitt ihn in Scheiben, legte sie auf eine Scheibe Vollkornbrot und packte zwei dicke Ringe Bermudazwiebeln darauf. Er betrachtete es einen Augenblick, dann übergoß er das ganze mit Ketchup und legte eine weitere Scheibe Brot darüber. Wenn Rachel und Ellie dagewesen wären, hätten beide angewidert die Nase gerümpft -- igitt, wie scheußlich.
    Ja, das ist Ihnen leider entgangen, meine Damen, dachte Louis mit nicht zu leugnender Befriedigung und schlang sein Sandwich hinunter. Es schmeckte großartig. Konfuzius sagt, wer wie ein Schwein riecht, frißt wie ein Wolf, dachte er und lächelte. Er spülte das Sandwich mit mehreren Schlucken Milch direkt aus der Packung hinunter -- auch eine Angewohnheit, auf die Rachel mit heftigem Stirnrunzeln reagierte; dann ging er nach oben, zog sich aus und fiel ins Bett, ohne sich die Zähne zu putzen. Die Schmerzen waren zu einem leisen Pochen abgeklungen, das fast tröstlich war.
    Seine Uhr war da, wo er sie hingelegt hatte, und er warf einen Blick darauf. Zehn Minuten vor neun. Es war kaum zu glauben.
    Louis löschte das Licht, drehte sich auf die Seite und schlief.
    Irgendwann nach drei wachte er auf und schlurfte ins Badezimmer. Als er da stand und urinierte, halb geblendet in das helle, fluoreszierende Licht blinzelnd, kam er plötzlich auf den Widerspruch, und seine Augen weiteten sich -- es war, als wären zwei Teile von etwas, das eigentlich hätte zusammenpassen müssen, deutlich hörbar gegeneinandergestoßen.
    Heute abend hatte Jud ihm erzählt, sein Hund wäre gestorben, als er zehn war -- an einer Infektion gestorben, nachdem er in ein Knäuel rostigen Stacheldraht geraten war. Aber an jenem Spätsommertag, an dem sie alle zusammen zum Tierfriedhof hinaufgewandert waren, hatte Jud gesagt, sein Hund wäre an Altersschwäche gestorben und hier begraben -- er hatte ihnen sogar die Gedenktafel gezeigt, obwohl die Jahre die Inschrift ausgelöscht hatten.
    Louis ließ die Spülung rauschen, löschte das Licht und kehrte ins Bett zurück. Noch etwas anderes stimmte nicht -- und einen Augenblick später hatte er es. Jud war mit dem Jahrhundert geboren, und an jenem Tag auf dem Tierfriedhof hatte er Louis erzählt, sein Hund wäre zu Beginn des Ersten Weltkriegs gestorben. Das würde bedeuten, daß Jud vierzehn gewesen war, wenn er den Kriegsausbruch in Europa meinte, oder siebzehn, bezogen auf das Jahr, in dem Amerika in den Krieg eingetreten war.
    Aber heute abend hatte er gesagt, Spot wäre gestorben, als er zehn war.
    Nun, er ist ein alter Mann, und die Erinnerung von alten Männern ist gelegentlich etwas verworren, dachte Louis unbehaglich. Er sagte selbst, er würde allmählich immer vergeßlicher -- suchte nach Namen und Adressen, die er früher parat gehabt hätte, stünde gelegentlich am Morgen auf und wüßte nicht mehr, was er sich am Abend zuvor an Arbeiten vorgenommen hätte. Für einen Mann seines Alters ist er noch verdammt gut beieinander... Senilität ist in Juds Fall wahrscheinlich ein zu starkes Wort; Vergeßlichkeit wäre besser, genauer. Kaum verwunderlich, daß ein

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