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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Ich schleppte Spot. Nach einer Weile kam ich auf den verrückten Gedanken, der alte Stanny B. wäre verschwunden, und ich folgte einem Indianer. Ich folgte einem Indianer, und irgendwann würde er sich umdrehen, grinsend und schwarzäugig, das Gesicht voll von der stinkenden Farbe, die sie aus Bärenfett herstellen; er würde einen Tomahawk haben aus einem Stück Schiefer und einem Stiel aus Eschenholz, mit Rohleder zusammengebunden, und er würde mich am Genick packen und mir die Haare abschlagen -- und die Schädeldecke dazu. Stanny torkelte und fiel nicht mehr; er ging aufrecht und mühelos, mit erhobenem Kopf, und das brachte mich wahrscheinlich auf diese Gedanken. Aber als wir an den Rand des Moors der Kleinen Götter kamen und er sich umdrehte, um mit mir zu reden, sah ich, daß es wirklich Stanny B. war, und daß er nicht mehr torkelte und fiel, kam nur davon, daß er Angst hatte. Die Angst hatte ihn nüchtern gemacht.
    Er erzählte mir dasselbe, was ich gestern abend zu Ihnen gesagt habe -- über die Seetaucher und das Elmsfeuer, und daß ich mich um das, was ich sah oder hörte, nicht kümmern sollte. Vor allem, sagte er, halt den Mund, wenn dich irgendetwas anspricht. Dann durchquerten wir den Sumpf. Und ich sah tatsächlich etwas. Ich sage Ihnen nicht, was das war, nur so viel, daß ich vielleicht fünfmal dort oben war seit damals, als ich zehn war, und seither nie wieder etwas dergleichen gesehen habe. Und ich werde es auch nicht wieder sehen, Louis, denn dieser Ausflug zum Begräbnisplatz der Micmac war mein letzter.«
    Ich sitze doch nicht hier und glaube das alles? fragte sich Louis fast beiläufig -- die drei Bier halfen ihm, die Frage beiläufig klingen zu lassen, zumindest für sein inneres Ohr. Ich sitze doch nicht hier und glaube diese Geschichte von alten Franzosen und indianischen Begräbnisplätzen, von etwas, das Wendigo heißt, und Tieren, die ins Leben zurückgekehrt sind? Lieber Gott, der Kater war betäubt, das ist alles, ein Auto erwischte und betäubte ihn -- kein Grund zur Aufregung. Das ist nur das senile Geschwafel eines alten Mannes.
    Nur, daß es nicht so war und Louis wußte, daß es nicht so war; die drei Bier änderten nichts an diesem Wissen, und dreiunddreißig würden auch nichts daran ändern.
    Church war tot gewesen, das war der eine Punkt. Er lebte jetzt wieder, und das war der zweite; etwas an ihm war ganz entschieden anders, ganz entschieden anders , und das war der dritte. Irgendetwas war geschehen. Jud hatte eine Schuld abtragen wollen -- aber das Medikament, das da oben auf dem Begräbnisplatz der Micmac zu haben war, war vielleicht kein sonderlich gutes Medikament, und Louis bemerkte etwas in Juds Augen, das ihm verriet, daß der alte Mann das wußte. Louis dachte an das, was er am Abend zuvor in Juds Augen gesehen hatte -- oder zu sehen glaubte. Dieses Frohlocken. Er erinnerte sich an den Gedanken, daß der Entschluß, ihn und Ellies Kater zu dieser speziellen Nachtwanderung zu veranlassen, vielleicht nicht ganz Juds eigener Entschluß gewesen war.
    Wenn nicht seiner, wessen dann? fragte sein Verstand. Aber Louis wußte darauf keine Antwort und schob die unbequeme Frage beiseite.
    »Ich begrub Spot und schichtete die Steine auf«, fuhr Jud mit ausdrucksloser Stimme fort, »und als ich fertig war, schlief Stanny B. wie ein Stein. Ich mußte ihn rütteln, um ihn wieder zu sich zu bringen, aber als wir diese vierundvierzig Stufen...«
    »Fünfundvierzig«, murmelte Louis.
    Jud nickte. »Ja, richtig, fünfundvierzig. Als wir diese fünfundvierzig Stufen hinter uns gebracht hatten, ging er so sicher, als wäre er wieder nüchtern. Wir kehrten durch den Sumpf und die Wälder und über das Totholz zurück; endlich überquerten wir die Straße und waren wieder bei unserem Haus. Mir war, als müßten zehn Stunden vergangen sein, aber es war noch immer dunkel.
    ›Und was passiert jetzt?‹ fragte ich Stanny B. ›Du wartest einfach ab‹, sagte Stanny und wanderte davon, jetzt wieder torkelnd und taumelnd. Ich nehme an, daß er seinen Rausch hinter dem Mietstall ausschlief, und wie sich herausstellen sollte, überlebte mein Hund Spot ihn um zwei Jahre. Seine Leber spielte nicht mehr mit und vergiftete ihn, und am 4. Juli 1912 fanden ihn zwei Kinder hinterm Mietstall, steif wie ein Brett.
    Ich bin in dieser Nacht einfach wieder am Efeu hochgeklettert. Ich legte mich ins Bett und war eingeschlafen, sobald mein Kopf das Kissen berührte.
    Am nächsten Morgen stand ich erst kurz

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