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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Louis wartete.
    »Die Micmac erzählten Stanny B.'s Großvater von dem Begräbnisplatz, den sie nicht mehr benutzten, weil der Wendigo den Boden hatte sauer werden lassen, vom Moor der Kleinen Götter und den Stufen und allem anderen.
    Die Geschichte vom Wendigo, das war etwas, das man damals überall im Norden hören konnte. Es war eine Geschichte, die sie vermutlich ebenso brauchten wie manche von unseren christlichen Geschichten. Wenn Norma das hörte, würde sie mir vorwerfen, ich lästerte, aber irgendwie trifft es schon zu. Manchmal, wenn der Winter lang und hart war und das Essen knapp, gab es Indianer von den nördlichen Stämmen, denen schließlich nichts anderes übrig blieb, als den verrufenen Ort aufzusuchen, um dort zu verhungern -- oder etwas anderes zu tun.«
    »Kannibalismus?«
    Jud zuckte die Achseln. »Kann sein. Vielleicht wählten sie jemanden aus, der alt und verbraucht war, und dann hatten sie eine Zeitlang Fleisch. Und die Geschichte, die sie sich dazu ausgedacht hatten, war die, daß der Wendigo durch ihr Dorf oder ihr Lager gewandert war, während sie schliefen, und sie berührt hatte. Und es hieß, der Wendigo machte denen, die er berührte, Appetit auf das Fleisch ihrer eigenen Art.«
    Louis nickte. »Sie sagten also einfach, der Teufel hätte sie dazu verleitet.«
    »So ist es. Ich vermute, daß auch die Micmac hier in der Gegend irgendwann dazu gezwungen waren und daß sie die Knochen der Leute, die sie verzehrt hatten -- ein oder zwei, vielleicht auch zehn oder ein Dutzend --, auf ihrem Begräbnisplatz verscharrten.«
    »Und dann behaupteten, der Boden wäre sauer geworden«, murmelte Louis.
    »Da kommt also Stanny B. an die Rückseite des Mietstalls, wahrscheinlich, um seine Flasche zu holen«, sagte Jud. »Er war schon nicht mehr ganz dicht. Sein Großvater hatte vielleicht eine Million Dollars, als er starb -- jedenfalls erzählte man sich das --, und Stanny B. war nur noch der Lumpensammler der Stadt. Er fragte, was los wäre, und ich erzählte es ihm Er sah, daß ich geheult hatte, und sagte, es gäbe eine Möglichkeit, die Sache in Ordnung zubringen, wenn ich tapfer wäre und ganz sicher, daß ich wollte, daß die Sache in Ordnung käme.
    Ich sagte, ich würde alles dafür hergeben, daß Spot wieder gesund würde, und fragte ihn, ob er einen Tierarzt wüßte, der das könnte. ›Ich weiß nichts von einem Tierarzt‹, sagte Stanny, ›aber ich weiß, wie dein Hund wieder in Ordnung kommt. Du gehst jetzt nach Hause und bittest deinen Dad, daß er den Hund in einen Hafersack steckt, aber du begräbst ihn nicht. Verstanden? Du bringst ihn hinauf zum Tierfriedhof und legst ihn da neben dem großen Windbruch in den Schatten. Dann kommst du nach Hause und sagst, es wäre erledigt.‹
    Ich fragte ihn, welchen Sinn das hätte, und Stanny sagte, ich sollte in der Nacht wach bleiben und herauskommen, wenn er einen Stein gegen mein Fenster würfe. ›Es kann Mitternacht werden, Junge, und wenn du Stanny B. vergißt und einschläfst, dann vergißt Stanny B. dich auch, und dann kannst du auch deinen Hund vergessen und ihn direkt zur Hölle fahren lassen!‹«
    Jud sah zu Louis hin und zündete sich eine weitere Zigarette an.
    »Alles lief genau so, wie Stanny es gewollt hatte. Als ich nach Hause kam, sagte mein Vater, er hätte Spot eine Kugel durch den Kopf geschossen, um ihm weitere Qualen zu ersparen. Ich brauchte nicht einmal vom Tierfriedhof zu reden; mein Dad fragte mich, ob ich nicht glaubte, daß Spot dort oben begraben werden wollte, und ich sagte, das würde er wohl wollen. Also zog ich los und schleppte meinen Hund in einem Hafersack hinter mir her. Dad fragte, ob ich Hilfe brauchte, und ich sagte nein, weil ich an das dachte, was Stanny B. gesagt hatte.
    In dieser Nacht lag ich wach -- eine Ewigkeit, wie mir schien. Sie wissen, was Zeit für Kinder bedeutet. Mir war, als hätte ich schon bis zum Morgen wachgelegen, und dann schlug die Uhr erst zehn oder elf. Ein paarmal wäre ich fast eingenickt, aber jedesmal fuhr ich hoch und war wieder hellwach. Es war fast, als hätte mich jemand geschüttelt und gesagt, ›Wach auf, Jud! Wach auf!‹ Als ob irgendetwas sichergehen wollte, daß ich nicht einschlief.«
    Bei diesen Worten hob Louis die Brauen, und Jud zuckte die Achseln.
    »Als die Uhr unten zwölf geschlagen hatte, stand ich auf und saß angezogen auf meinem Bett, und der Mond schien durchs Fenster herein. Dann schlug die Uhr die halbe Stunde, dann eins, und immer noch kein

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