Friedhof der Kuscheltiere
wären uns bei einem Hund noch mehr Veränderungen aufgefallen, dachte Louis, aber Katzen sind ohnehin schon verdammt unabhängige Tiere. Unabhängig und eigenwillig. Unnahbar sogar. Es wunderte ihn gar nicht, daß die Pharaonen im alten Ägypten verlangt hatten, daß man ihre Katzen mumifizierte und ihnen in ihre Grabmäler mitgab, damit sie in der künftigen Welt ihre Seelen geleiteten. Katzen hatten etwas Unheimliches an sich.
»Wie kommst du mit dem Dreirad zurecht, großer Meister?«
Er wies auf das fertige Produkt. »So la-la.«
Rachel zeigte auf den Beutel, in dem noch drei oder vier Kunststoffschrauben lagen. »Und was ist damit?«
»Ersatzteile«, sagte Louis mit schuldbewußtem Lächeln.
»Hoffentlich hast du recht. Sonst bricht sich das Kind seinen hübschen kleinen Hals.«
»Das kommt später«, sagte Louis boshaft. »Wenn sie zwölf ist und mit ihrem neuen Skateboard angibt.«
Sie stöhnte. »Doktor, sei nicht so herzlos!«
Louis erhob sich, legte die Hände aufs Kreuz und drehte den Rumpf. Sein Rückgrat knarrte. »Mit dem Spielzeug wären wir so weit.«
»Alles ist zusammengesetzt. Denkst du noch an letztes Jahr?« Sie kicherte, und Louis lächelte. Im letzten Jahr mußte fast alles, was sie gekauft hatten, aus Einzelteilen zusammengebaut werden; sie hatten fast bis vier Uhr morgens darangesessen, und als sie es endlich geschafft hatten, waren sie beide verdrossen und übellaunig. Und am Nachmittag des Weihnachtstages hatte Ellie herausgefunden, daß die Verpackungen mehr Spaß machten als das Spielzeug.
»Jetzt reicht's mir aber auch«, sagte Louis.
»Dann laß uns zu Bett gehen«, sagte Rachel. »Da bekommst du ein Weihnachtsgeschenk vorweg.«
»Weib«, sagte Louis und richtete sich zu seiner vollen Höhe auf, »das steht mir von Rechts wegen zu.«
»Das möchtest du wohl«, sagte sie und lachte hinter vorgehaltenen Händen. In diesem Augenblick sah sie Ellie -- und Gage -- verblüffend ähnlich.
»Einen Moment noch«, sagte er. »Ich habe noch etwas zu tun.«
Er eilte in die Diele und holte einen seiner Stiefel aus dem Schrank. Dann rückte er den Schirm vor dem erlöschenden Feuer beiseite.
»Louis, was willst du...«
»Das wirst du gleich sehen.«
An der linken Seite des Kamins, wo das Feuer bereits erloschen war, lag eine dicke Schicht flaumiggrauer Asche. Louis preßte den Stiefel hinein und hinterließ einen deutlichen Abdruck. Dann benutzte er den Stiefel wie einen großen Gummistempel und setzte ihn auf die Fliesen vor dem Kamin.
»So«, sagte er, nachdem er den Stiefel in den Schrank zurückgebracht hatte. »Wie findest du das?«
Rachel kicherte. »Louis, Ellie wird nicht wieder.«
In den letzten beiden Wochen hatte in der Vorschule das beunruhigende Gerücht die Runde gemacht, der Weihnachtsmann wäre niemand anderes als die Eltern. In dieser Idee war Ellie durch einen ziemlich mageren Weihnachtsmann bestärkt worden, den sie vor ein paar Tagen im Deering Ice Cream Parlor in Bangor gesehen hatte. Der Weihnachtsmann hatte auf einem Barhocker gesessen und den Bart zur Seite geschoben, um einen Cheeseburger essen zu können. Das hatte Ellie sehr verunsichert (der Cheeseburger offenbar noch mehr als der falsche Bart), obwohl Rachel ihr versichert hatte, die Weihnachtsmänner in den Kaufhäusern und bei der Heilsarmee wären »Hilfskräfte«, angeheuert vom richtigen Weihnachtsmann, der viel zu viel damit zu tun hatte, droben im Norden seine Bestände durchzusehen und in letzter Minute eintreffende Briefe von Kindern zu lesen, als daß er durch die ganze Welt reisen und in der Öffentlichkeit hätte erscheinen können.
Louis stellte den Schirm wieder an seinen Platz. Jetzt gab es zwei deutliche Stiefelabdrücke im Kamin, einen in der Asche und einen auf den Fliesen davor. Beide wiesen zum Weihnachtsbaum hinüber -- es sah aus, als wäre der Weihnachtsmann mit einem Fuß gelandet und dann mit dem anderen vorgetreten, um die für den Haushalt der Creeds bestimmten Geschenke abzuladen. Die Illusion war vollkommen, solange man nicht sah, daß beides linke Abdrücke waren; aber Louis glaubte nicht, daß Ellie schon so scharfsichtig war. »Louis Creed, ich liebe dich«, sagte Rachel und küßte ihn.
»Du hast einen Erfolgsmenschen geheiratet«, sagte Louis mit selbstbewußtem Lächeln. »Halte zu mir, und ich mache dich berühmt.«
Sie gingen zur Treppe. Louis zeigte auf den Kartentisch, den Ellie vor den Fernseher gestellt hatte und auf dem Haferflockenplätzchen und zwei
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