Friedhof der Kuscheltiere
Ring-Dings lagen. Daneben stand eine Dose Micheloeb-Bier. FÜR DICH, WEIHNACHTSMANN stand in Ellies steifen Großbuchstaben auf einem Zettel. »Möchtest du einen Keks oder ein Ring-Ding?«
»Ein Ring-Ding«, sagte sie und aß die Hälfte davon. Louis zog den Verschluß der Bierdose auf und trank sie halb leer.
»Wenn ich so spät noch Bier trinke, bekomme ich Sodbrennen«, sagte er.
»Unsinn«, sagte sie gutgelaunt. »Und nun komm, Doktor.«
Louis stellte das Bier wieder auf den Tisch und griff dann in die Tasche seines Bademantels, als hätte er etwas vergessen -- obwohl er den ganzen Abend immer wieder an das kleine, aber gewichtige Päckchen gedacht hatte.
»Hier«, sagte er. »Das ist für dich. Du kannst es gleich aufmachen -- Mitternacht ist vorüber. Fröhliche Weihnachten, Baby.«
Sie drehte das kleine, in Silberpapier eingeschlagene und mit einem breiten, blauen Seidenband umwickelte Päckchen in den Händen. »Louis, was ist das?«
Er zuckte die Achseln. »Seife. Eine Gratisprobe Shampoo. Ich hab's vergessen.«
Sie öffnete es auf der Treppe, sah die Schachtel von Tiffany und stieß einen kleinen Schrei aus. Sie hob die Watteabdeckung ab und stand mit halboffenem Mund starr da.
»Nun?« fragte er unsicher. Er hatte ihr noch nie echten Schmuck geschenkt, und nun war er nervös. »Gefällt es dir?«
Sie nahm es heraus, legte die feine Goldkette über die gespreizten Finger und hob den winzigen Saphir ins Dielenlicht. Er drehte sich langsam und schien dabei kaltblaue Strahlen zu verschießen.
»Oh, Louis, das ist so verdammt schön...« Er sah, daß sie ein wenig weinte, und war gerührt und bestürzt zugleich.
»He, Baby, nicht weinen«, sagte er. »Leg sie um«
»Aber, Louis, das können wir -- das kannst du dir doch gar nicht leisten...«
»Ach, was«, sagte er. »Seit letztem Weihnachten habe ich hin und wieder ein bißchen Geld beiseite gelegt -- und so teuer, wie du vielleicht denkst, war es gar nicht.«
»Wie teuer?«
»Das verrate ich dir nie«, erklärte er feierlich. »Ein ganzes Heer von chinesischen Folterknechten könnte es mir nicht entlocken.
Zweitausend Dollar.«
»Zweitausend!« Sie fiel ihm so unvermittelt um den Hals, daß er fast die Treppe hinuntergestürzt wäre. »Louis, du bist verrückt!«
»Leg sie um«, sagte er noch einmal.
Sie tat es. Er half ihr mit dem Verschluß, und dann drehte sie sich um und sah ihn an. »Ich gehe hinauf und betrachte mich im Spiegel. Ich glaube, ich werde meinen Anblick genießen.«
»Tu das«, sagte er. »Ich setze den Kater vor die Tür und mache die Lichter aus.«
»Und nachher«, sagte sie und blickte ihm direkt in die Augen, »ziehe ich alles aus -- bis auf das.«
»Dann genieß ein bißchen schneller«, sagte Louis, und sie lachte.
Er packte Church und nahm ihn auf den Arm -- in letzter Zeit hatte er meist auf den Besen verzichtet. Vermutlich hatte er sich trotz allem fast wieder an den Kater gewöhnt. Er ging zur Haustür und löschte dabei schon einige Lichter. Als er die Tür von der Küche zur Garage öffnete, wirbelte ihm kalte Luft um die Knöchel.
»Fröhliche Weihnachten, Ch...«
Er verstummte. Auf der Fußmatte lag eine große, tote Krähe. Ihr Kopf war zerfetzt. Ein Flügel war abgetrennt und lag hinter dem Rumpf wie ein angekohltes Stück Papier. Church wand sich aus Louis' Armen und fiel sofort über den gefrorenen Kadaver her. Noch während Louis hinsah, schoß der Kopf des Katers mit angelegten Ohren vor, und bevor er den Blick abwenden konnte, hatte Church der Krähe eines ihrer milchigen, gebrochenen Augen ausgerissen.
Church schlägt wieder zu, dachte er mit einem flauen Gefühl im Magen und wendete sich ab -- aber erst, nachdem er die blutige, leere Höhle gesehen hatte, in der das Auge der Krähe gesessen hatte. Es sollte mir gar nichts ausmachen, ich habe schon Schlimmeres gesehen, o ja, Pascow zum Beispiel, Pascow war schlimmer, viel schlimmer...
Aber es machte ihm doch etwas aus. Sein Magen drehte sich um Das warme Gefühl sexueller Erregung war plötzlich verschwunden. Himmel, der Vogel ist fast so groß wie er selbst. Muß ihn in einem Augenblick erwischt haben, wo er nicht aufgepaßt hat.
Hier mußte aufgeräumt werden. Niemand wünschte sich ein solches Geschenk am Weihnachtsmorgen. Und die Verantwortung lag bei ihm, oder etwa nicht? Doch. Bei ihm und niemandem sonst. Das hatte er im Unterbewußtsein bereits an jenem Abend begriffen, als seine Familie zurückkehrte und er die Reifen auf die
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