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Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition)

Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition)

Titel: Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Miller
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irgendeines dubiosen Insekts untersucht hätte, eines Insekts, das seine Giftigkeit vielleicht nur vortäuschte, vielleicht aber auch nicht … Er hätte nicht darauf schwören können, was er da spürte, aber es kam ihm so vor, als hätte jemand sanft auf seinen Finger gepustet, und, auf dem Bett das Gleichgewicht haltend, musterte er ihn eine Weile prüfend.

3
     
    E R TRIFF T SIC H mit Lafosse. Im Januar tut sich nicht viel; nichts ist in Angriff genommen, kein einziger Knochen versetzt worden. Er erklärt sich zum Opfer der Umstände, versucht sich entsprechend darzustellen, glaubt tatsächlich auch selbst daran. Ohne die Bergleute kann er nicht anfangen, und die Bergleute sind noch nicht eingetroffen. Sie sind unterwegs, werden bald da sein, aber noch sind sie nicht eingetroffen. Mitten in seiner Erklärung, seiner ziemlich verlegenen Selbstrechtfertigung, wird ihm klar, dass Lafosse sich nicht um ein paar Wochen mehr oder weniger schert, dass er ihn nicht seines Postens entheben wird oder auch nur damit droht. Wer sonst würde so kurzfristig eine solche Arbeit annehmen? Er legt seine Abrechnungen vor. Es bekümmert ihn nicht gerade, zu sehen, dass Lafosse an einer Erkältung leidet.
    Was er allein tun kann, tut er. Von Louis Horatio Boyer-Duboisson bezieht er Zelttuch, Holzpfähle, Seile, Schiffsketten. Mit einem zahnlosen Mann namens Dejour vereinbart er die Lieferung von Brennholz und hilft ihm und seinen Söhnen beim Abladen, als die erste Fuhre eintrifft. Er kann keinen Fuß auf den Markt setzen, ohne dass sich ihm Händler mit Angeboten und Versprechungen nähern, zuweilen auch mit geflüsterten Warnungen vor einem Kollegen, der nichts als ein Dieb sei. Stroh für Nachtlager kommt aus den Stallungen hinter dem Büro des Postunternehmers in der Rue aux Ours. Es ist trocken und einigermaßen sauber. Dreißig Spaten und dreißig Spitzhacken treffen ein, ebenfalls von Louis Horatio Boyer-Duboisson. In Valenciennes dürfen die Bergleute keine eigenen Werkzeuge besitzen. Wer selbst einen Spaten besitzt, könnte sich für unabhängig halten.
    Am fünften Februar bekommt er eine Nachricht von Lecoeur, der ihm mitteilt, dass endlich alles bereit ist, dass er demnächst mit den Männern nach Paris aufbrechen wird und in einer Woche dazusein hofft. Da der Brief zwei Tage unterwegs war, nimmt Jean-Baptiste zwei Tage später seine Wache auf und steht Stunde um Stunde an der Ecke Rue Saint-Denis und Rue aux Fers, allerdings nicht so nahe am italienischen Brunnen, dass er sich zur Zielscheibe für die Derbheiten der Wäscherinnen macht.
    Es ist kalt, aber klar, am Morgen gibt es starken Frost, doch zur Tagesmitte hin ist es beinahe warm. Er sieht immer wieder dieselben Gesichter, sieht, dass die Straßen ihre jeweiligen Ströme, ihre kleinen Gezeiten haben. Er erhascht einen flüchtigen Blick auf Héloïse, die von ihm weg in Richtung Faubourg Saint-Denis geht. Er sieht Père Colbert – es kann niemand anders sein –, die Brille mit den blauen Gläsern, das grünliche Schwarz seiner Soutane, die sich über dem breiten, gekrümmten Rücken spannt. Er sieht Armand, der ihm rät, einen Jungen zu dingen, aber Jean-Baptiste möchte sich weder auf einen Jungen, auf die Konzentrationsfähigkeit eines Jungen verlassen, noch möchte er müßig im Haus der Monnards herumsitzen und auf etwas warten, von dem er manchmal glaubt, es werde nie eintreten.
    Und dann, gegen zwei Uhr nachmittags, genau eine Woche nach dem Datum, das der Brief aus Valenciennes trägt, ist Lecoeur plötzlich und unwahrscheinlicherweise da: Er sitzt auf einem Wagen, der aus der Richtung des Flusses kommt, und lüftet in elegantem Gruß seinen Hut, als er Jean-Baptiste erblickt.
    Es sind insgesamt drei Fahrzeuge, ohne Plane und mit großen, schlammverkrusteten Rädern. Als die Wagen anhalten, scharen sich Grüppchen von Anwohnern, darunter auch die Wäscherinnen, zusammen, um zu den Fremden aufzublicken, die zurückblicken, einige mit den großen, verschreckten Augen von Vieh, das zum Schlachthof getrieben wird, andere schlicht wie vom Donner gerührt, mit Gesichtern, wie sie vielleicht die Männer von Hernán Cortés beim Einzug in die goldene Stadt Tenochtitlan machten. Der gesamte Verkehr auf der Rue Saint-Denis kommt zum Erliegen. Die Pferde senken den Kopf. Eines entleert sich in grünlichem Schwall aufs Pflaster. Lecoeur steigt von seiner Bank am vorderen Ende des ersten Wagens herab und geht zu Jean-Baptiste hinüber. In überschwenglicher,

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