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Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition)

Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition)

Titel: Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Miller
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denken, ob die Hälfte von ihnen vorhat, sich in der Nacht aus dem Staub zu machen. Kann man ihnen trauen? In den Bergwerken hat es gelegentlich Vorfälle gegeben, gewalttätige Vorfälle. Man stelle sich das Gesicht des Ministers vor, wenn man ihm sagte, die Männer seien davongelaufen und machten Paris unsicher!
    Ein Stück weit von den Zelten entfernt, beruhigt Lecoeur ihn.
    »Du bezahlst ihnen erheblich mehr, als sie in Valenciennes bekommen haben. Und auf ihre Weise sind es anständige Kerle. Man könnte mit ihnen eine sehr achtbare Kompanie aufstellen.«
    »Mit dir als Hauptmann«, sagt Jean-Baptiste.
    »Du, mein lieber Baratte, bist unser Hauptmann. Ich glaube, du würdest auf einem weißen Pferd sehr schneidig aussehen.«
    »Ich müsste mein Flämisch verbessern.«
    »Vorwärts, Angriff. Zehn Sous für jeden Kopf eines Feindes. Das würde schon reichen, glaube ich.«
    Sie überqueren die Ecke des Friedhofs in Richtung des Küsterhauses. Lecoeur trägt eine brennende Fackel, die sie allerdings kaum brauchen. Aus den Fenstern des Hauses dringt Lampenlicht, und das große Feuer gibt einen breiten, roten Schein.
    »Zum erstenmal gesehen«, sagt Jean-Baptiste, »habe ich diesen Ort von da oben, vom Fenster meines Zimmers aus. Ich habe nachts darauf hinuntergeschaut, und es herrschte dort die undurchdringlichste Dunkelheit. Jetzt mutet es beinahe festlich an.«
    »Festlich? Verzeih mir, aber ich glaube nicht, dass ein solcher Ort jemals festlich sein könnte.«
    »Wie findest du inzwischen den Gestank?«
    »Gerade noch erträglich. Ich bin nicht besonders empfindlich gegen Gerüche. Das kommt von den Bergwerken. Mein Schädel ist vollgestopft mit Kohlenstaub.«
    »Angeblich gibt es hier ein Tier«, sagt Jean-Baptiste, »halb Hund, halb Wolf, das in den Beinhäusern auf dieser Seite haust.« Er deutet nach vorn auf die Südmauer, die Torbögen, die in die Galerien führen.
    »Ich würde nicht zulassen, dass den Männern eine solche Geschichte bekannt wird.«
    »Ja, du hast recht«, sagt Jean-Baptiste.
    »Aber falls sich heraussstellt, dass es mehr ist als eine alte Geschichte, bin ich vorbereitet.« Lecoeur bleibt stehen und zieht einen Gegenstand aus seiner Manteltasche. »Siehst du?«
    »Ist sie geladen?« fragt Jean-Baptiste.
    »Ich habe Pulver und Kugeln dabei. Und ich habe damit geübt. Ich kann auf dreißig Schritt einen Kohleneimer treffen.«
    »Lecoeurs Wolfstöter«, sagt Jean Baptiste. Sie lachen leise. Lecoeur tritt mit dem Stiefel die Fackel aus, und sie betreten das Haus des Küsters.
    Der alte Mann schläft neben dem Kamin, die silbrigen Locken seines Bartes gegen die Brust gedrückt. Armand sitzt mit Jeanne am Tisch. Jeanne steht auf, sowie die beiden eintreten. »Wir haben auf Sie gewartet«, sagt sie.
    »Wir haben einen Rundgang durch das Lager gemacht«, sagt Lecoeur. Er sieht die Schnapsflasche auf dem Tisch neben Armands Ellbogen an.
    »Wie geht es deinem Großvater?« fragt Jean-Baptiste.
    »Er ist müde«, sagt Jeanne mit einem Lächeln zu dem alten Mann hin. »Aber ich glaube, er freut sich, dass es angefangen hat. Und er sieht, dass ich zufrieden bin.« Zu Lecoeur sagt sie: »Ihre Männer sind sehr nett.«
    Lecoeur verbeugt sich leicht. »Sie haben Sie bereits in ihr Herz geschlossen, Mademoiselle.«
    »Nun werden wir vielleicht etwas trinken dürfen«, sagt Armand gähnend. »Jeanne, wir brauchen noch zwei Gläser.«
    Die Gläser werden geholt, gefüllt, gehoben. Sogar Jeanne nimmt einen kleinen Schluck; die Hitze des Alkohols lässt ihre Wangen brennen. Armand gießt nach. Jean-Baptiste schiebt sein Glas beiseite.
    »Morgen fangen wir zu graben an«, sagt er. »Es wäre das Beste, wir sprechen der Flasche nicht mehr allzu lange zu. Ich werde sehr früh hier sein, Jeanne. Und Madame Saget wird, glaube ich, auch kommen?«
    »Lisa wird hier sein«, sagt Armand. »Wie es scheint, genießen Sie inzwischen ihre Wertschätzung.«
    »Ich gehe auf dem Markt Brot holen, sobald es hell wird«, sagt Jeanne. »Großvater wird auch mitkommen und vielleicht auch Madame Saget.«
    »Und ich habe dafür gesorgt, dass wir zum Essen fünfzehn schöne alte Hühner bekommen«, sagt Armand. »Dazu einen Sack Kartoffeln, einen Sack Karotten, grüne Linsen, soviel wie ein Mann wiegt. Zwiebeln. Und ich habe mir die Freiheit genommen, hundertzwanzig Liter Burgunder zu bestellen. Château Nichts-Besonderes. Ich schlage vor, wir halten den Wein in einem der Kirchenräume unter Verschluss. Ich bezweifle, dass Père

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