Friedhof der Verfluchten
nachdem sie sich bei mir eingehakt hatte.
»Wieso?«
»Die gehört zu diesem Landhai.«
»Er ist also bei Vater?« Wir waren in der kleinen Halle stehen geblieben, und meine Mutter nickte heftig.
»Ja, John, die beiden befinden sich in Dads Arbeitszimmer. Ich lausche ja sonst nie, aber dort geht es hoch her. Selten habe ich Vater so schreien gehört. Aber das ist egal. Du kommst erst mal mit, machst dich frisch, und dann kannst du erzählen. Wenn das Helen Cloud wüsste, dass du hier bist. Sie hat schon zweimal nach dir gefragt, und soviel ich weiß, bekommt sie bald eine Wohnung hier in Lauder. Ein wirklich anständiges, bescheidenes und nettes Mädchen.«
Ich strich meiner alten Dame über das Haar. »Sicher, Mutter, sicher. Aber du weißt, ich habe einen gefährlichen Job, und verkuppeln lasse ich mich nicht, auch nicht von meiner eigenen Mutter. Okay?«
»Wie der Vater«, stöhnte Mary Sinclair. »Er muss immer seinen eigenen Kopf durchsetzen. Dabei meine ich es nur gut. Ein Mann in deinem Alter, der sollte einfach verheiratet sein.«
»Später.«
»Und Jane Collins?«
Mein Gesicht verschloss sich. Mit dieser Frage hatte meine Mutter alte Wunden aufgerissen. Genaues hatte ich nicht erzählt, auch jetzt gab ich eine ausweichende Antwort. »Ich habe lange nichts mehr von ihr gehört, Mam.« Das war gelogen, denn mit Schrecken dachte ich an Janes grausamen Hexenabend. [3]
»Es geht dir sehr nahe, nicht?«
»Sicher.« Ich strich mit meiner Hand über ihre Wange und lief dann schnell davon, sonst hätte sie mich nicht losgelassen, und meiner Mutter konnte ich eigentlich keinen Wunsch abschlagen.
Mein Ziel war das Arbeitszimmer. Bis an die andere Seite der Halle musste ich gehen.
Meine Mutter hatte schon immer ein Faible für Blumen besessen. Das merkte ich auf dem Weg zu meinem Ziel. Die Boden-und Tischvasen waren mit frischen Sträußen gefüllt, die allesamt schon einen herbstlichen Charakter aufwiesen.
Die Tür zum Arbeitszimmer war, wie alle Türen in diesem Haus, sehr dick. Keine Spanplatten oder Presspappe, sondern Holz, das sich sehen lassen konnte. Mein Vater hatte sehr viel Wert auf solide Türen gelegt. Zum Teil besaßen sie das Alter von mehreren hundert Jahren. Dad hatte sie alteingesessenen Bauern abgekauft.
Ich erzähle das nur, weil ich trotz der dicken Tür die Stimmen vernahm. Zwei Männer stritten miteinander, und das Organ meines Vaters war deutlich herauszuhören.
»Niemals!« verstand ich. »Niemals werden Sie es schaffen und mich ausbooten. Nein, nur über meine Leiche, und da hätten Sie ja fast Glück gehabt, Floren.«
»Ich verstehe Sie nicht, Sinclair,«
»Sie wollen mich nicht verstehen, das ist es doch. Auf normalem Wege können Sie einen Sinclair nicht klein kriegen, das liegt eben in unserer Familie. Wir sind Schotten. Also versuchen Sie es mit anderen Tricks, die zu meinem Glück schiefgelaufen sind.«
Ich hatte die rechte Hand schon auf der zur Tür passenden schweren Klinke liegen. Mein alter Herr fuhr da schwere Geschütze auf, das musste man ihm lassen. Der ging ganz schön zur Sache. So hatte ich ihn eigentlich nie kennen gelernt nach seiner Pensionierung. Nur im Gerichtssaal hatte er so manches Mal herumgetobt und seine Meinung klar und deutlich vertreten.
Mein Klopfen würden die beiden sicherlich nicht hören. Deshalb trat ich ohne die höfliche Bekanntmachung ein.
Keiner von ihnen schaute auf die Tür. Sie standen sich gegenüber. Mein Vater hinter und Lee J. Floren vor dem Schreibtisch. Wie zwei Kampfhähne wirkten sie. Beide waren schon älter.
Während mein Vater in seinem legeren Hausjackett und dem grauen Haar einen irgendwie soliden Eindruck machte, war Floren das Abziehbild eines Managertyps, wie man ihn von den Titelseiten der einschlägigen Wirtschaftsillustrierten kennt. Weißes Haar, glatt und sauber gescheitelt, solariumbraun, der Schneideranzug zeigte einen ausgezeichneten Sitz und schimmerte blau. Einen Blauton besaß auch das Hemd.
Nur in der Körpergröße hatte Floren nicht ganz mithalten können. Er war ein wenig klein geraten, kompensierte dies jedoch durch eine mehr als kräftige Stimme.
»Guten Tag!« Meine Stimme unterbrach das Wortgefecht. Die beiden Männer verstummten. Zuerst schaute mein Vater. Er sah mich, holte tief Luft, und ich stellte fest, dass sein Gesicht rot angelaufen war, so sehr hatte er sich geärgert. Dann jedoch glitt ein Lächeln über seine Züge.
Das veranlasste auch Lee J. Floren, den Kopf zu drehen. Ein Blick
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