Friedhof der Verfluchten
lachte bitter auf. »Wohnt ist gut? Was meinen Sie, wer unter der Erde liegt, auf der wir stehen.«
»Leichen…«, hauchte er.
»Genau. Tote, Leichen, wahrscheinlich schon verfault und verwest, was weiß ich.«
»Hören Sie auf, Modesty!« Floren verzog das Gesicht und presste seine Hände gegen die Ohren. Er wollte einfach nichts mehr hören. Die Frau hatte für ihn nur einen spöttischen Blick übrig. Wie war er doch klein geworden, der große Manager, Anlageberater und Unternehmer. Nichts mehr, aber auch gar nichts war von seiner Sicherheit zurückgeblieben. Dieser unheimliche Friedhof machte ihn fertig, zerstörte seine Psyche und schluckte die Seele.
Modesty ließ ihn kurzerhand stehen. Sie wollte den Friedhof endlich hinter sich lassen. Eine typische Gruselszene umgab sie. Sogar Spinnweben gab es hier. Sie bildeten eine Verbindung von Grabstein zu Grabstein und schufen ein dünnes Netz, das die einzelnen Steine miteinander verband. Kein einziges Grab war gepflegt. Unkraut wucherte, und um den Baum herum war alles kahl, so dass Modesty einen braunschwarzen Boden sah.
Sie warf keinen Blick zurück. Der Mann interessierte sie nicht mehr, denn auf diesem Friedhof war sich jeder selbst der Nächste. Sie wollte mit ihm nichts zu tun haben, doch da hörte sie den Schrei. Floren hatte ihn ausgestoßen, und Modesty Blaine wirbelte herum. Ihre Augen weiteten sich, denn hinter einem besonders hohen Grabstein war eine Gestalt aufgetaucht. Ein unheimlicher Mensch, bleich im Gesicht, der auf Floren zutorkelte.
Auch Modesty Blaine erstarrte. Sie hatte den Mann noch nie gesehen, doch Floren schien ihn zu kennen, denn er stieß hastig dessen Namen hervor. »Koonz, verdammt, was machen Sie hier?«
Es war tatsächlich der Killer, der sich dem anderen mit unsicheren Schritten näherte. Er passte ebenso wenig in diese Gegend und Zeit wie auch Modesty Blaine und Lee J. Floren, denn er trug eine moderne Kleidung. War er auch ein Gefangener des Friedhofs? Und wieso kannte Floren ihn.
Modesty hatte sich vorgenommen, nicht mehr zurückzugehen, jetzt aber lief sie ein paar zögernde Schritte und bekam mit, wie der Mann namens Koonz stehen blieb, sich vorbeugte und beide Hände auf die breite Kante eines Grabsteins stützte. So wartete er und stierte Floren an.
»Kennen Sie ihn?« fragte Modesty, deren Herz plötzlich bis hoch zum Hals hin klopfte.
»Ja.«
»Woher?«
»Ich… ich habe ihn engagiert. Aber er kennt mich nicht, bei mir ist kein Name gefallen. Wir haben alles über Telefon abgewickelt.«
»Wer ist er denn?«
»Ein Killer!«
Modesty verzog das Gesicht, dabei öffnete sie den Mund, aber ihr fehlten einfach die Worte.
Koonz war ein Killer, und Lee J. Floren kannte ihn. Welch einen Zusammenhang gab es da? Sie wollte weitere Fragen stellen, dies erübrigte sich jedoch, denn Floren begann von allein zu reden.
»Ich habe Koonz engagiert, um einen Mann aus dem Weg räumen zu lassen«, gab er offen zu. »Einen Mann, der mir und meinen Plänen verdammt schaden konnte. Sinclair!«
»Der junge oder der alte?«
»Der alte!«
Modesty Blaine war wie vor den Kopf geschlagen. Sie konnte nicht fassen, dass ihr Chef einen Mord zugab. Wie tief musste er gesunken sein, um zu solchen Mitteln greifen zu müssen. Und für den Mann hast du gearbeitet! schoss es ihr durch den Kopf. Dieser verdammte Hundesohn hat dich angefasst! Sie ekelte sich im nachhinein noch und schüttelte sich, als hätte jemand kaltes Wasser über sie gegossen.
»Wie konnten Sie das nur tun?« keuchte sie.
»Geschäftsinteresse.«
Koonz stieß sich ab. Er war ein kräftiger Mann, dazu hochgewachsen, und er überragte seinen Auftraggeber. Dabei drehte er seinen Kopf so, dass Modesty in das Gesicht schauen konnte.
War es überhaupt noch das Gesicht eines Lebenden, oder war dieser Mann bereits tot? Sie hatte von Zombies, von lebenden Leichen gehört und auch einen Film darüber gesehen. In manchen Streifen wirkten die Zombies so wie diese Gestalt hier auf dem unheimlichen Totenacker. Bleich, leblos, mit blicklosen Augen, der Schatten eines Menschen, nur noch ein Abziehbild, das jedoch gefährlich war.
Es fiel Koonz schwer, sich auf den Beinen zu halten. Er hatte sich nach rechts gedreht, wollte um den Grabstein herum und stolperte. Auf den Beinen konnte er sich dabei nicht mehr halten. Lang fiel er aufs Gesicht, streckte dabei seine Arme aus, und die rechte Hand geriet sehr nahe an den Fuß des Mannes.
»Floren, passen Sie auf!« schrie Modesty.
Der
Weitere Kostenlose Bücher