Friedhof für Verrückte
sie gerade Jesus the King drehten. Ich war einer der Tischler in den Schuppen dort drüben. Ich habe die drei Kreuze für den Kalvarienberg angefertigt und ihnen den letzten Schliff gegeben, sie stehen noch immer dort. Damals gab es eine Art Wettbewerb in jedem Baptistenkeller und in jedem katholischen Kaff des Landes: Wer findet Christus? Man fand ihn hier. Der Regisseur wollte wissen, wo ich arbeite. In der Tischlerei. Mein Gott, schrie er, ihr Gesicht, zeigen Sie mir ihr Gesicht! Kleben Sie sich einen Bart an! ›Bitte‹, sagte ich zum Visagisten, ›machen Sie Jesus aus mir.‹ Dann kam ich zurück, mit Dornen und Gewandung, dem ganzen Zauber eben. Der Regisseur tanzte vor Freude auf dem Ölberg und wusch mir die Füße. Es dauerte nicht lange, und die Baptisten standen bei ihren ländlichen Kuchenfestivals in Iowa Spalier, wenn ich mit meiner alten Blechkiste angerattert kam, mit wehenden Fahnen, auf denen zu lesen stand: › ES KOMMT DER HERR ‹, › ER WIRD UNS FÜHREN ‹.
Ich zog kreuz und quer durch das ganze Land, immer in Motelanlagen, hatte eine großartige Zehnjahrestournee als Messias, bis der Wein und die Weiber meinen Ruf ruinierten. Niemand will einen Erlöser, der etwas mit Frauen hat. Dabei habe ich niemandem etwas zuleide getan und auch die Frauen anderer Männer nicht wie Spieluhren aufgezogen, es lag nur einfach daran, daß ich Er war, verstehen Sie?«
»Ich glaube schon«, sagte ich höflich.
J. C. streckte seine langen Handgelenke und die langen Hände mit den langen Fingern von sich, so wie Katzen manchmal dasitzen und darauf warten, von aller Welt angebetet zu werden.
»Die Frauen empfanden es als Blasphemie, wenn sie nur die gleiche Luft wie ich atmeten. Anfassen war geradezu grauenhaft. Ein Kuß eine Todsünde. Gar der Akt selbst? Ab ins Fegefeuer, für alle Ewigkeit. Die Katholiken, nein, die Holy Rollers waren die schlimmsten. Es gelang mir, eine oder zwei von ihnen ins Bett zu kriegen, bevor sie mich erkannten, und auch das nur, wenn ich incognito reiste. Immer wenn ich mich einen Monat nach weiblichen Akrobaten verzehrt hatte, lief ich Amok. Ich rasierte mich einfach und zog über Land, grabschte mir die Ladies links und rechts, rammte Zaunpfähle in die Muttererde. Ich habe mehr Bräute flachgelegt als ein Fanatiker bei einer baptistischen Nackttaufe. Ich konnte ziemlich schnell rennen und hoffte darauf, daß die schieß wütigen Priester Hymen und Hymnen nicht so rasch nachzählten und mir eine Ladung Schrot hinterherschickten. Ich hoffte, daß die Damen niemals Wind davon bekämen, daß der Stargast des Letzten Abendmahls ihnen die Hand aufgelegt hatte. Na ja, ich habe ihn abgewetzt, bis nur noch ein Stummel übrig war, und mich bis zur Besinnungslosigkeit betrunken. Dann sammelte mich der Pritschenwagen vom Studio ein, zahlte die Sheriffs aus, besänftigte die Priester von North Sty, Nebraska, mit einem neuen Taufbecken für die Spätergeborenen und karrte mich heim in eine Zelle zwischen Außendekorationen, wo man mich wie Johannes den Täufer einsperrte und drohte, mir meine beiden Köpfe abzuschlagen, sowie die letzte Fischvermehrung in Galiläa und die allerletzte Abenteuertour zum Kalvarienberg abgeschlossen war. Lediglich mein fortgeschrittenes Alter und mein erlahmter Specht bewahrten mich vor weiteren Schandtaten. Dann wurde ich aus dem Verkehr gezogen, ich, der so wild war auf Verkehr. Niemals gab es einen Mann, der mehr an Frauen dachte als die verlorene Seele, die Sie hier vor sich sehen. Ich verdiente es nicht, J. C. zu spielen und in den Kinos überall im Land Seelen zu erretten, während es mich nach ganz anderem gelüstete. Viele Jahre lang fand ich Trost nicht im Fleische, sondern im Suff. Gott sei Dank hat mich Fritz für seinen neuen Film aus der Versenkung hervorgeholt. Jede Menge Totalen, mit Tonnen von Make-up. So, das wäre es. Der Leidensweg Christi. Langsam ausblenden.«
Applaus. Am ganzen Tisch wurde geklatscht und der Herr gepriesen.
Mit geschlossenen Augen verbeugte sich J. C. nach links und rechts.
»Was für eine Geschichte!« murmelte ich.
»Glauben Sie kein Wort davon«, sagte J. C.
Der Applaus verstummte. Ein neuer Gast war eingetroffen.
Am anderen Ende des Tisches stand Doc Phillips.
»Mein Gott«, sagte J. C. mit kräftiger, klarer Stimme. »Der Judas unserer Tage!«
Falls der Studioarzt das gehört haben sollte, so ließ er sich nichts anmerken.
Er blieb unschlüssig stehen, betrachtete den Raum voller Widerwillen, aus Furcht vor
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