Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
Vom Netzwerk:
Platz am Gang und weint ebenfalls. Ende.«
    »Mein Gott!« stieß Groc hervor, wobei er ums Haar nicht gelacht hätte. »Was sind Sie doch für ein schlaues Kerlchen. Jawohl!« Er grinste. » Ich bin diese Veidt-Figur, doch mein Grinsen wurde nicht von Zigeunerhand eingeschnitzt. Auf das Konto von Selbstmorden, Mordversuchen und Attentaten geht es. Man ist mit zehntausend Leichen in einem Massengrab eingesperrt, einem ist zum Kotzen elend, und man kämpft sich nach oben an die frische Luft, erschossen und doch nicht tot. Ich kann seitdem kein Fleisch mehr anrühren, es riecht nach Kalkgrube, den Kadavern, den ohne Beerdigung Dahingeschlachteten.« Er gestikulierte: »Deshalb nur noch Früchte. Salate. Brot, frische Butter, und Wein. Und außerdem habe ich mir dieses Lächeln angenäht. Ich bekämpfe die wirkliche Welt mit einem falschen Grinsen. Warum nicht diese Zähne, diese laszive Zunge, und das Lachen – im Angesicht des Todes? Wie auch immer, jedenfalls bin ich für Sie verantwortlich!«
    »Für mich?«
    »Ich veranlaßte Manny Leiber, Roy anzuheuern, Ihren Tyrannosaurus-Kumpel. Und ich sagte ihm auch, daß wir jemanden brauchten, der im Schreiben so gut sein müsse wie Roy im Träumen. Voilá! Sie! «
    »Danke schön«, sagte ich träge.
    Groc plusterte sich über seinem Essen auf, glücklich darüber, daß ich auf sein Kinn, seinen Mund, seine Augenbrauen starrte.
    »Sie könnten ein Vermögen verdienen …«, sagte ich.
    »Das tue ich bereits.« Er zersäbelte einen Schnitz Ananas. »Das Studio bezahlt mich mehr als ausreichend. Ihre Stars versaufen sich ständig die Gesichter oder knallen mit den Köpfen durch Windschutzscheiben. Maximus Films lebt in ständiger Angst davor, daß ich sie verlassen könnte. Nonsens! Ich bleibe. Dabei werde ich Jahr für Jahr jünger, wenn ich so schnipple und nähe, und nochmal nähe, bis meine Haut so eng sitzt, daß mir beim nächsten Lächeln die Augen herausspringen! Sehen Sie!« Er machte es vor. »Denn ich kann niemals zurückkehren. Lenin hat mich aus Rußland verjagt.«
    »Ein Toter kann Sie verjagen?«
    Fritz Wong beugte sich nach vorne. Er hatte hocherfreut zugehört.
    »Groc«, sagte er freundlich, »erklär es ihm. Lenin mit neuem Wangenrot. Lenin mit brandneuen Zähnen, einem Lächeln um seinen Mund. Lenin mit neuen Augäpfeln aus Glas hinter den Lidern. Lenin mit seinem verschwundenen Leberfleck und seinem getrimmten Ziegenbärtchen. Lenin. Lenin. Erklär es ihm.«
    »Es ist ganz einfach«, sagte Groc. »Lenin mußte einfach ein Wunderwirkender Heiliger sein, unsterblich in seinem gläsernen Grab. Und Groc, wer war das schon? Hat Groc etwa Lenins Lächeln mit Rouge nachgezogen, seine Haut sauber gehalten? Nein! Lenin perfektionierte sich selbst, noch über den Tod hinaus! Also? Tötet Groc! Und so ist Groc davongelaufen! Und wo ist Groc heute? Er fällt aufwärts … durch Euch.«
    Am anderen Ende des Tisches sah man abermals Doc Phillips. Er kam nicht näher, sondern bedeutete Groc mit einer abrupten Kopfbewegung, ihm zu folgen.
    Groc ließ sich Zeit. Er tupfte sein Mäulchen mit der Serviette ab, nahm noch einen Schluck kalter Milch, überkreuzte Messer und Gabel auf seinem Teller und kletterte dann vom Stuhl. Er wartete einen Moment, dachte nach und sagte dann: »Nicht die Titanic, eher Osymandias!« Dann rannte er nach draußen.
    »Warum nur«, sagte Roy im nächsten Augenblick, »hat er soviel Aufhebens um die Galionsfiguren und die Holzschnitzerei gemacht?«
    »Er ist ausgezeichnet«, sagte Fritz Wong. »Miniaturausgabe von Conrad Veidt. Ich werde das kleine Arschloch für meinen nächsten Film einsetzen.«
    »Was hat er nur mit Osymandias gemeint?« fragte ich.
     

16
     
    Den ganzen Nachmittag lang streckte Roy immer wieder seinen Kopf in mein Büro und zeigte mir seine lehmverschmierten Finger.
    »Leer!« schrie er. »Kein Monster!«
    Ich riß das Papier aus meiner Schreibmaschine. »Leer! Auch hier kein Monster!«
    Doch zu guter Letzt, um zehn Uhr abends, brachte mich Roy mit dem Wagen zum Brown Derby.
    Unterwegs las ich die erste Hälfte von »Osymandias« laut vor.
     
    Osymandias.
     
    Ein Wandrer kam aus einem alten Land,
    Und sprach: Ein riesig Trümmerbild von Stein
    Steht in der Wüste, rumpflos Bein an Bein,
    Das Haupt daneben, halb verdeckt vom Sand.
     
    Der Züge Trotz belehrt uns: wohl verstand
    Der Bildner, jenes eitlen Hohnes Schein
    Zu lesen, der in todten Stoff hinein
    Geprägt den Stempel seiner ehrnen Hand.
     
    Schatten huschten

Weitere Kostenlose Bücher