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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Gläser.
    »Hast du Crumley in den letzten acht Stunden gesehen?«
    »Crumley?«
    »Es steht dir im Gesicht geschrieben. Wer ist gestorben?«
    »Jemand von Maximus Films, vor zwanzig Jahren.«
    »Arbuthnot!« rief Constance mit weiblicher Intuition.
    Ein Schatten legte sich über ihr Gesicht. Sie griff nach ihrem Bademantel und schlüpfte hinein; plötzlich war sie sehr klein, ein Mädchen, das sich umdrehte und die Küste betrachtete, als sähe es nicht Sand und die Gezeiten, sondern die dahinziehenden Jahre selbst.
    »Arbuthnot«, murmelte sie. »Herrgott, welche Schönheit! Welch ein Schöpfer!« Sie hielt inne. »Ich bin froh, daß er tot ist«, fügte sie hinzu.
    »Nicht ganz.« Ich verstummte.
    Denn Constance war herumgewirbelt, wie von einem Schuß getroffen.
    »Nein!« schrie sie mich an.
    »Nein, etwas, das wie er aussieht. Ein Ding, das auf einer Mauer aufgestellt worden ist, um mich zu erschrecken – und jetzt auch dich.«
    Tränen der Erleichterung rannen aus ihren Augen. Sie schnappte nach Luft, als hätte man sie in den Magen geschlagen.
    »Verdammter Kerl! Geh rein«, sagte sie. »Hol den Wodka.«
    Ich brachte den Wodka und ein Glas. Ich sah zu, wie sie zwei kräftige Schlucke kippte. Ernüchterung machte sich in mir breit, ich hatte es über, Leuten beim Saufen zuzusehen, war es leid, mich zu fürchten, wenn es Nacht wurde.
    Mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen können, und so ging ich an den Beckenrand, zog Schuhe und Socken aus, rollte mir die Hosenbeine hoch und ließ die Füße ins Wasser hängen, schaute hinein und wartete ab.
    Schließlich kam Constance und setzte sich neben mich.
    »Entschuldige«, sagte sie. »Die alten Erinnerungen sterben nur sehr schwer.«
    »Allerdings«, sagte ich und ließ jetzt meinerseits den Blick über die Küste schweifen. »Im Studio ist diese Woche die helle Panik ausgebrochen. Warum drehen alle durch, nur wegen einer blöden Wachspuppe im Regen, die wie Arbuthnot aussieht?«
    »Also das ist passiert?«
    Ich erzählte ihr den Rest der Geschichte, so wie ich sie schon Crumley erzählt hatte. Ich endete mit dem Brown Derby und meinem Wunsch, sie würde mich dorthin begleiten. Als ich geendet hatte, schluckte Constance, leichenblaß, den nächsten Wodka.
    »Ich möchte wissen, wovor mir eigentlich soviel Angst eingejagt wird«, sagte ich. »Wer hat den Zettel geschrieben und mich auf den Friedhof eingeladen, damit ich der versammelten Welt den nachgemachten Arbuthnot präsentiere? Doch ich habe den Leuten vom Studio nicht erzählt, daß ich die Puppe gefunden hatte, und so fanden sie das Ding selbst und versuchten, es zu verstecken, beinahe blöd vor Angst. Ist die Erinnerung an Arbuthnot so lange nach seinem Tod denn immer noch so furchterregend?«
    »Ja.« Constance legte ihre zitternde Hand auf mein Handgelenk. »Allerdings.«
    »Und nun? Erpressung? Fordert jemand von Manny Leiber unter der Drohung Geld, andernfalls über die Vergangenheit des Studios auszupacken? Über Arbuthnots Leben beispielsweise? Vielleicht eine verloren geglaubte Filmrolle von vor zwanzig Jahren, von der Nacht, in der Arbuthnot starb. Vielleicht ein Film, der am Unfallort gedreht wurde und der, wer weiß, dafür sorgen würde, daß Konstantinopel, Tokio, Berlin und das ganze Gelände in Flammen aufgingen?«
    »Ja!« Constances Stimme kam von weit entfernt, aus einem anderen Jahr. »Geh jetzt. Du mußt fliehen. Hast du jemals geträumt, eine große schwarze, zwei Tonnen schwere Bulldogge kommt in der Nacht auf dich zu und frißt dich auf? Einer meiner Freunde hatte diesen Traum. Die große schwarze Dogge hat ihn aufgefressen. Wir nannten sie den Zweiten Weltkrieg. Er ist für alle Zeiten verschwunden. Ich möchte nicht, daß auch du verschwindest.«
    »Constance, ich kann nicht abhauen. Wenn Roy lebt …«
    »Das weißt du nicht.«
    »… und wenn ich ihn dort herauskriege und dafür sorge, daß er seinen Job wiederbekommt … dann ist es das einzig Richtige. Ich muß es tun. Es ist alles so unfair.«
    »Geh hinaus ins Meer und schlage dich mit den Haien rum, da hast du bessere Chancen. Willst du wirklich wieder zu Maximus zurück, nach allem, was du mir erzählt hast? Mein Gott. Weißt du eigentlich, wann ich zum letzten Mal das Studio betreten habe? An dem Nachmittag, an dem Arbuthnot beerdigt wurde.«
    Sie wartete ab, bis mich dieser Treffer versenkt hatte. Dann warf sie den Rettungsanker hinterher.
    »Damals ging die Welt unter. Nie zuvor habe ich so viele Kranke und Sterbende auf

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